139. WANDERVOGEL Zeitschrift WEIHNACHTSAUSGABE 1.11.24 – 31.12.24

173 wv – 1.7.-31.8.24 wv 0152 2198 3817 hedo@folkmagazin.de

Titelseite mit aktuellen Artikeln der laufenden Wandervogelzeitung.  Alles weitere in den Rubriken.


VERRUCHTE CHANSONS DES WANDERVOGELS

Kabarett, Brettl, Chansons, Kleinkunst stehen in Deutschland z Z nicht an erster Stelle. Frankreich ist Meister im Ironisieren, durch den Kakao Ziehen, Liebenswertes aufzuwerten, Unsagbares sagbar zu machen. Der Wandervogel ist lange Zeit prüde gewesen und lehnt das oberflächliche noch immer ab. Es muss aber auch endlich mal gesagt werden, was gesagt werden muss. Es fing damit an, dass wir uns selbst romantisch ironisierten. Jetzt sind ironische Chansons schon seit einige Jahren Teil unserer Festabende bei unseren Jahreszeitenfesten.  Unter ARTIKEL/CHANSON findest Du einiges an Verruchtem.

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ERNTEFEST

Musikanten kommen schon am Nachmittag des Do. 29.8. , um gemeinsam Sessions zu machen mit Liedern, Tänzen und Musiken aus den Heften der Elbraben. Wenn Du mitspielen möchtest und vorher üben möchtest, bestell Dir zumindest das Heft Elbraben 1. Wenn Du Dich anmeldest, schicken wir Dir das Heft gleich gratis zu. Es gibt außerdem ein paar kleine Noten-Liederblätter mit Ernteliedern zum Herbstbeginn fürs Singen am Feuer, für den Festabend und zum Mitnehmen oder Zusenden. Ruf‘ deshalb am besten bei uns an.

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LIEDERBÜCHER ZU VERSCHENKEN: Wir haben hier auf dem Rabenhof mehrere überzählige Liederbücher: Mehrfach = Historisch-politische Lieder aus acht Jahrhunderten, Das maritime Liederbuch vn Uwe Imgart,  Jahreszeitenliederhefte des Wandervogel, ältere Greifenlieder des Wandervogel. Abzuholen bei Erntefest oder auf Verabredung.   (Zu Heften auch in einer Anzahl für Gruppen.) Dass darunter viele sehr schöne weit unbekannte Lieder sind kommt dazu. Und Lüttenmark ist nur 50 km östlich Hamburgs. 

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ERNTEFEST DES WANDERVOGELS: DO. 29.8.- SO. 1.9.24 auf dem Rabenhof in Lüttenmark. Offen für alle, die ihr Leben selbst gestalten und zur Mitmenschlichkeit stehen. Viele Session. — Kosten € 20 für Referenten, € 10 Zelten. — Vergünstigt für Musiker, Jugendliche, Kinder insgesamt € 10 p.P. — Wer im Haus auf Mattenlager übernachtet € 20 pro Nacht —  + Mitbringen von Leckereien für die Festtafel. Selbstverpflegung. Plan: Do.Session am Feuer, Fr. Fahrt + Wanderung zur Elfenwiese mit Session, abends Feuer in der großen Bundesjurte mit Tschai, Geschichten, Liedern, Session, Sa: ab 10 h Workshops Ukulele, Liedtanz, Klezmertanz + europäischer Tanz angefragt, Erntelieder Referenten sind: Marianne Lange / Rabentänzer?, Martina Kurr, Jutta Schütte, hedo holland 17 h Vorbereitung +  Festtafel, 19:30 Festabend, ab ca. 22 h Singen und Vortragen am Feuer, So: Brunch, Singen, Session, Ausklang. hedo hat die Jahreszeitentreffen 30 Jahre zu Highlights für Folkies und Wandervogel gemacht. Es ist das letzte Fest, das von hedo auf dem Rabenhof geleitet wird. Anmeldung bis 30. 8. – Es wird gemeinsam gegessen und es kann fotografiert und gefilmt werden. Auf gute Filme und Fotos freuen wir uns. Wer etwas vortragen will, melde sich.  wandervogel@wandervogel.info oder per Telefon.

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NEUES LIEDERBUCH: Im Spurbuch-Verlag sind die Bücher I und II hedos lieder mit je ca. 200 Liedern erschienen zu je ca. € 21. Es ist die bekannte Liederbuchhreihe mit Liedern von pit, mac, helm, hedo. Die Bücher sind am besten direkt über den Spurbuch-Verlag, zu Not über Ebay oder Amazon zu beziehen. Jetzt sind „hedos lieder III“ fertig. Das erste Musterheft in A 5 mit ca. 200 Liedern ist fertig.  Wer für Singewettstreite für seine Gruppe Lieder sucht, findet in hedos liedern zündende Lieder von Fahrt, Fest, Widerstand, Jahreszeiten, freche Lieder und leise Lieder. Noch hat der Verlag das 3. Buch nicht in Druck nehmen können, da die Umsätze langsam laufen. Wer intensiv bei seiner Liedersuche ist, kann sich bei „bündisch“ melden und ein Muserheft im einfachen Vordruck in A5 oder A4 bekommen. Melden unter: folkmagazin@folkmagazin.de oder anrufen.
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WIDERSTAND:  Es wird heute der großartige Widerstand der meist adligen Offiziere vom 20.7.44 gefeiert. Wer stand davon dem Wandervogel nahe? Die große Zahl der Widerständler kam aus Wandervogel, jungenschaft und Jugendbewegung. Nazis nannten uns „Bündische Hunde“ Warum Hund? Wer weiß? Sie haben uns unterrückt, verhaftet. Wer in bündisches Liederheft hatte, kam ins Gefängnis. Von den Geschwistern Scholl über unsere Bünde b is zu den Edelweißpiraten, die aus dem Untergrund gegen Nazis und Krieg agierten gab es viele. Viele Bücher haben wir dazu im Wandervogelarchiv. Du kannst sie hier lesen. Oder welche dazu spendieren.

Auch heute ist wieder Widerstand zu leisten. Nicht nur gegen Nazis und AfD. Auch gegen das Verschweigen der Presse zum Widerstand der Jugend damals. Und auch gegen Strukturen, die das Aufblühen der Freiheit auf vielen Ebenen behindern. Wer weiß dazu mehr? Wer schreibt dazu? 

GESUNDHEIT: Als wir jung und in der welt unterwegs ewaren, haben wir meist mit wenig Geld möglichst gesund gelebt, nicht geschlemmt, ohne Drogen mit viel Bewegung und Körpertraining, ohne viel Mode und Technik mit einfacher, praktischer, hübscher Kleidung, mit Singen, Musizieren, Wandern, Tanzen und Festen am Feuer.  Die Jugend und wohl die meisten leben heute nicht so gut. Viele brauchen viel mehr Geld für ihr Leben und sind viel oberflächlicher geworden. Ein kritischer Artikel dazu unter „Gesundheit“.

Du bist Dir unsicher mit Deutschland und Deinem Leben? Ich bin mir sicher,  wie Deutschland läuft. Der Grund fürmich und viele: Ich habe es besser, als meine Eltern, Großeltern und Ahnen. Das ist ein sehr hoher Wert, trotz all der Schwierigkeiten, die die Welt uns aufbrummt, da wir nun erstmals richtig Globalpolitik machen müssen, und all die Nachrichten zu verkraften haben. Dafür stärke ich mich und schlage das jedem vor. „Jeden Tag das Leben selbst gestalten!“ (Möglichst miteinander mit Freunden und Freundinnen im Bund.)

GERN UNTERWEGS: Auf dem Rabenhof treffen sich Menschen, diue gern unterwegs sind und reisen, tanzen, singen, musizieren, wandern, fotografieren und filmen, Gastfreundschaft, Lagerfeuer, Festtafel, gute Gespräche und Lieder lieben TREFFEN AUF DEM RABENHOF: Es gibt wöchentlich Treffen auf dem Rabenhof. Wer vorbeikommen oder mitmachen will, rufe an.

SOMMERLIEDER: Ein Heft mit Sommerliedern ist bestellbar € 5 in Briefmarken. Ebenso ein Ernteliederheft.

WANDERVOGELBRIEFE: Die 39. Wandervogelbriefe erscheinen am 10.7. per Email. Du kannst sie gratis abonnieren.

SCHAALSEE-ELBETAL-BOIZE: Der Fahrradweg entlang des Boizetals verbindet die beiden Naturregionen Elbetal und Schaalsee. Vor 8 Jahren wurde der Fahrradweg von Wandervögeln beantragt und ist nun fertig und verbindet die beiden wunderschönen Regionen miteinander. In der Mitte liegt der Rabenhof mit dem Wandervogellandheim.

ROSENZEIT: Auf dem Rabenhof blühen jetzt die Rosensträucher an vielen Ecken, besonders die rote, die weißen sind großenteils verblüht.

FRÜCHTE AUF DEM RABENHOF: Der Rabenhof ist voller Früchte. Du kannst gratis pflücken. Die Hälfte des Gepflückten geht an hedo

WANDERVOGELERNTE: Wir haben mit unserr Besetzung eins der besten Tanzseminare für europäische Folklore in Norddeutschlands bei der Wandervogelernte auf dem Lüttenmarker Rabenhof nach den Sommerferien.

Seit heute ist es klar. Unsere Wandervogelernte ist vom 30.8.-1.9. Wermithelfen will, kommt am Donnerstag, den 29.8. einen Tag eher. Musikanten, Jugendliche, Mithelfer ab Donnerstag gratis. Referenten: Huub, Jutta?, Marianne, Tina, Hedo. Tanzseminare: Freitagnachmittag (Tina), Freitagabend, Sonnabendnachmittag, evtl. Sonntagvormittag (Marianne und Huub), Musizieren: Sonntagvormittag (Marianne), Singen: Jurte – Freitag nach dem Tanzen (Hedo), Wandervogel-Olympiade zum Kennenlernen (Sa. 14h) Wandervogelbriefe mit Details kommen in Kürze. Anmeldung: Sie Rubrik. Festtafel-Thema zum Mitbringen: Ernte-Festtafel, Leckereien möglichst selbstgemacht.

NATIONALISMUS: Jetzt tragen schon neben vielen Ausländern bei uns Moderatoren und viele Politiker schwarz weiß rot. Schwarzer Anzug, weißes Hemd Roter Schlip oder ähnlich. Es wird immer schlimmer bei uns mit Nationalismus. Wenn es wenigstens schwarz-rot-gold wäre. Aber das gibt es so gut wie gar nicht.

LIEDER SINGEN: Zwar haben Nazis und die Roten den freien Wandervogel verboten. Unser Liederschatz klingt dennoch immer wieder unterwegs im Leben bei Festen, in Jurten und Kohten. Mit Freude und Stolz singen wir unsere Lieder.

LIEDER VOM STEINKREIS IM NORDEN, VOM LÜTTENMARKER RABENHOF UND MECKLENBURGLIEDER Wir erweitern unser Mecklenburgheft um Treffen auf dem Rabenhof und Lieder davon und um die schönen Lieder um den Steinkreis im Norden.  Die Entstehung Lüttenmarks, Der Schwanheider Bahnhof auf der Weide, das herrliche , neue Mecklenburglied, das Lied der uralten Eichen, Das Feuer im Steinkreis, Das Lied von der Mittsommernacht, Das Mädchen aus Zarrentin, Die Lüttenmarker Polonaise (Lüttenmarker Einzug) und mehr und dazu ein paar Dorftänze für Feste. hedo gibt Konzerte trägt Liedern bei Festen vor. Das Heft ist für € 5. beim Wandervogel bestellbar. (Am besten in Briefmarken an Wandervogel e.V., RABENHOF, Leisterförder Str. 23, 19258 Greven-Lüttenmark). WEGEN DER VIELEN BESTELLUNGEN IST MIT 4 WOCHEN LIEFERZEIT ZU RECHNEN.

FÜRS LEBEN BEGEISTERN + BRENNEN: Das heißt seit meiner Jugend für mich „Wandervogel“ ganz natürlich. Fürs Rausfahren in die Natur aus der Enge der Stadt, frei machen von Enge, Schlips und Kragen zu kurzen Hosen und luftigert Kleidung, frei machen von unnötigen, teil falschen Zwängen von Elternhaus und Schule, frei machen von hohlen Fassenden, also frei zu singen, zu lernen, zu erkunden, zu tanzen, zu guten Gesprächen, zur passenden Literatur, frei von Mode und aufgesetzten Vorbildern zu natürlichem, eigenen Geschmack, eigener Malerei, eigenen Gedanken und Gedichten, eigenem Berufswunsch und Handeln, frei von allen aufgesetzten Ideologien, Parteien, Verschwörungen, Gurus und Predigern, frei von falschen Bräuchen, Konventionen, Normen, frei von Überholtem. Bei der Wandervogelbewegung der Jüngeren kam das wie von selbst.

Als ich älter wurde, merkte ich, dass die Gesellschaft sich etwas befreit hatte seit der Kaiserzeit, als der Wandervogel entstand. Kleidung und Reisen waren freier geworden. Ideologien und Religionen hatten an Macht verloren. Nun wurde sehr oft das Individuelle zu viel und das Gemeinsame vernachlässigt. Und die äußere Darstellung vieler war besonders ind en Städten, lockerer geworden. Aber sonst für den Menschen selbst, für die Seele, für das Lieben des Lebens, hat sich nicht viel verändert. Ich war nun älter und suchte frei, Gleichgesinnte, die in der nun anders engen Gesellschaft das Freie, das Lebendige, das Frohe und den Frieden suchten. Und ich fand nur wenige.

Mein Leben lang Jugendgruppen zu leiten und sie zur  „dynamischen Freiheit des Wandervogels“ zu führen, wollte ich nicht. Ich gründete mit Freunden das Kultur- und Stadtteilzentrum „Miteinander“ in Hamburg mit dem Versuch Einsame und Alleinerziehende zusammen zu einer Form des erwachsenen Wandervogels zusammen zu bringen. Das gelang teilweise, bis die Hamburger Politik plötzlich Zuschüsse davon abhängig machte, türkischen Frauen die Arbeit and er Nähmaschine nahe zu bringen. Wir hatten uns auf Zuschüsse verlassen. Nun lehnten wir sie ab. Die Politik verstand trotz vieler Gespräche unseren Weg nicht, oder wollte ihn nicht verstehen und erhöhte laufend unsere Mieten.

Ich kündigte das Mietverhältnis und hatte gespart und kaufte mir in Mecklenburg, nahe Hamburgs, den Rabenhof, den ich fürs Miteinander im Wandervogel ausbaute, um in der Natur mit Tanzen, Singen, Gesprächen, Festen Menschen aus ihrem Trott dazu zu bringen, mitzumachen, sich einzubringen, sich zu befreien, selbst Wandervogel zu werden und freie Wandervogelnester zu bauen. Die Gruppen laufen gut mit großartigen Menschen, mit einer Qualität der gemeinsamen Freude.

Und Neue kommen dazu und integrieren sich trotz ihrer Zwänge von Familie, Gesundheit, Garten, weiten Wegen, Alter und Suche. Ältere Menschen für ihre Leben neu zu begeistern, dass sie für ihre Seelenwünsche brennen, das gelingt manchmal. Menschen aber so frei zu machen, dass sie sich außerdem über Gesellschaftsnormen und Verlockungen hinaus für den über 100 Jahre so erfolgreichen Wandervogel begeistern und Nester für ihn bauen, das habe ich bisher nur selten erlebt.

Ich vermag es jedoch nicht, den herrlichen Wandervogel als eine kleine Summe von Fachgruppen zu sehen, die wie ein Sportverein nebeneinander existieren. Dafür habe ich ich nicht mein Leben lang, aus kriegs – armen Verhältnissen kommend, gespart und den Rabenhof aufgebaut. Die große Idee des freien Wandervogelbundes zündet nicht so leicht bei gestandenen Menschen.

Und doch gibt es einige, die den Wandervogel verstehen und ihn wollen. Dafür lohnt es sich. Warum gerade für den Wandervogel? Es gibt heute viele freie Gruppierungen. Für mich ist der Wandervogelbund am freiesten, am hilfreichsten für Menschen und trotz der Fehler, die Menschen auch im Wandervogel machen.

Das eigene Leben zu gestalten, im Wandervogelbund mitzuwirken, sich zu verbinden, ist der beste Weg für einen Menschen, sich mit Freude aus seiner Enge zu befreien und dabei offen für neue, freie Gedanken, Kreativitäten und Entwicklungen der Gesellschaft, für Mitmenschlichkeit, Frieden und Liebe.  Gemeinsam Singen, Tanzen, Musizieren, Gespräche und Unterwegssein fördern das besonders. 

Bitte um Einladung zu unseren Teestubengeprächen im Kaminzimmer oder in der Märchenjurte. hedo

MITMACHFESTE SONNABENDS: Bei unseren Jahreszeiten-Treffen haben wir seit 30 Jahren sonnabends das Mitmachfest für alle. Ein Fest, bei dem Teilnehmer Aufgaben übernehmen, wie Möbel aufstellen, Andecken, Abwaschen, Sauber machen, im kreis das Fest eröffnen, im Saal das Vortragen, Singen, Tanzen, Spielen, Vortanzen, Vorsingen, Spielen, Sketche, den Maibaum schmücken, nicht das Fest konsumieren. Wir haben keine Angestellten. Auch Neue packen mit an.  Das nennen wir Mitmachfeste. Das ist anders, als sonst in der Gesellschaft und macht den Wandervogel aus. Jeder wird gebraucht, und keiner braucht abseits zu stehen. 

WESHALB WIR DIE WELT NICHT AUSKLAMMERN?: Wir lieben die NaturKultur, die Welt,  das Rausfahren mit wenig Geld und Mode, die Freiheit, die Heimat, die guten Bräuche, unsere Treffen und Feste, unsere Treffen und Feste, das Miteinander und vor allem die Freude, unser Singen, unsere Lieder, das Tanzen und das Musizieren. Aber was wäre das, wenn wir die Augen verschlössen vor Streitigkeiten, Kriegen, Scheinlügen, Rückwärtsgewandtem?

Wir haben uns zu wappnen mit scharfem Blick einzubringen. Jeder einzeln. Und wir mit unserem Bund zusammen. Schon mehrmals sind wir verboten worden, weil wir uns nicht der Gewalt anpassten. Viele Wandervögel, auch die Geschwister Scholl, verloren ihr Leben durch Nazis, und auch in der DDR ging es für viele eng zu, da wir verboten waren. Wir wollen nicht noch einmal so zwanghafte Herrschaft in Deutschland. Die Bundesrepublik ist eben trotz ihrer Schwächen und Vernachlässigungen für Kinder, der Bildung und der Zukunft (neben vielem anderen) doch besser, als andere Staatsformen.

EUROPA: Die Zukunftsparteien haben nicht zulegen können. Die Rückwärtsgewandten sind stärker geworden. Dabei muss Deutschland in Zukunft noch mehr Führungsrolle Europas für die Welt übernehmen. In Europa jedoch ist  zu viel Uneinigkeit und zu wenig bzw. Interesse für Zukunft, Kinder, politische Bildung und Klima. Damit hat auf politischer Ebene Deutschland in der Welt weniger Kraft, als auf wirtschaftlicher Ebene. Das schwächt auch die Wirtschaft auf Dauer und Deutschlands Zukunft auch beim Wirken für Weltfrieden und wirtschaftlich wirkungsvolle Migration. Je schwächer die politische Bildung, desto mehr ist Deutschland in der Zwickmühle. Der mangelnde Unterschied zwischen Sozialleistungen und Mindestverdienst trägt wesentlich dazu bei, ebenso Kinderarmut mit über 21% in Deutschland.

FRÖHLICHE, BÜNDISCHE LIEDER: (Natürlich nur ein kleine Auswahl) Froh zu sein, bedarf es wenig, Die grauen Nebel hat das Licht durchdrungen, Wer nur den lieben, langen Tag, Einmal einfach los zu singen, Guten Abend, guten Aben, euch allen hier beisamm‘, Goden Abend Speelmann, Heho, ihr Kollegen vom Sommer, Hol‘ die Gitarre, die Flöte, Im Fiedelers Grün ist der Tisch voll gedeckt, Es lebte ein Bauer im Nordingaland, Mädel, lass zum Tanz dich führen, To Enn geit da Jahr wenn Wiehnachten is, Der Morgen schmeckt wie Pfefferminz, Gut‘ Nacht, der Abend mit Euch hier war schön……

WANDERVOGEL e.V. – LEBENSBUND: Wir haben uns als Lebensbund 1998 wiedergegründet mit Wandervögeln – Einzelne, Familien, Paare – die ihr leben selbst gestalten wollen, besonders mit Singe, Musizieren, Tanzen, Fahrten/Wandern, Kultur, Gestaltung von Festen und Festtafeln. Qualität vom Miteinander und Geschmacksbildung sind uns wichtig. Wir singen besonders deutsche Lieder und tanzen Tänze aus vielen Ländern. Einige von uns gründen und leiten Gruppen fürs Singen, Musizieren und Tanzen auf Wandervogelart, in denen Menschen mitwirken, die das Angebot annehmen können, auch Wandervogel zu werden. Wandervögel bilden zusammen den Wandervogel-Lebensbund, der ohne Ideologie freiheitlich ist, für Mitmenschlichkeit eintritt und gegen Kriege und Wehrpflicht ist. Keiner verdient am Wandervogel, Kosten sollen niedrig sein, dass möglichst jeder Interessierte im Wandervogel mitwirken kann. Unsere Treffen sind grundsätzlich Mitmachtreffen, bei denen sich jeder Teilnehmer einbringt. Mehr dazu in mehreren Rubriken unserer Webseite. 

NIE WIEDER KRIEG: Nach dem 1. Weltkrieg kamen Wandervögel heim. Viele waren im Krieg umgekommen. Und seither sind Wandvögel gegen den Krieg. Von Nazis und DDR verboten haben Überlebende den Bund wieder gegründet und stehen dazu „Nie wieder Krieg“ und gegen das „Konflikteschüren, Kriegszündeln, Kriegsbeginnen und Erobern“. Wer Kriege und Kriegstreiber fördert und beginnt, soll verurteilt werden, auch in unserem Land. Alle Menschenverachtung und jeglicher Zwang soll verurteilt werden. Wehrpflicht und Militarismus lehnen wir ab. Eine Freiwilligen – Bundeswehr zur Verteidigung befürworten wir. 

LIEDERGESCHICHTEN: Unter dieser Rubrik haben wir Gedanken zu unserem Singen und zum Singen allgemein gesammelt. Dazu schrieb uns gerade der Liedermacher Manfred Jaspers aus Rendsburg:  

Liebe Wandervögel, habe gerade entdeckt, dass das Lied ‚De Vullmacht’s Öllste‘ in eurer Volksliedersammlung enthalten ist. Leider ist dort nur der Textdichter Klaus Groth als Urheber genannt. Der freut sich sicherlich, dass er in Liedern weiterlebt –  aus der Tiefe seines Grabes heraus. Ich würde mich – allerdings lebend – auch über die Erwähnung meines Namens als Schöpfer der Melodie freuen!
Mit freundlichem Wandergruß Manfred — Manfred Jaspers St.-Jürgen-Weg 44— 24768 Rendsburg. Das Lied von Klaus Groth wird in unseren Liedergeschichten erwähnt. Die Melodie ist von Manfred Jaspers. Wir singen das Lied gern, und viele von uns können es singen. Das Erlebnis, wie Klaus Groth dazu kam, die Geschichte zu dichten, wäre interessant. Wir kennen sie nicht. h

ES GEHT UNS GUT? Im Vergleich zu anderen Ländern der Welt geht es uns besonders gut, mit am besten. 1. Seit 74 Jahren haben wir Frieden, können aufbauen und unser Land stärken. 2. Wir haben einen Wohlstand, wie in kaum einem anderen Land, allerdings mit einigen haarigen Ungerechtigkeiten. 3. Wir haben ein Grundgesetz mit einem hohen Grad von Freiheit, die sich Demokratie nennt und auf einigen Ebenen auch demokratisch ist. 4. Fast allen geht es besser als den Eltern, den Großeltern und allen Ahnen. 5. Gern möchten wir aus Mitmenschlich für alle Benachteiligten die gleichen Rechte auch durchsetzen. 6. Innerhalb des Wandervogels treten wir dafür ein. Innerhalb unseres Bundes gibt es gegenseitige Hilfen gern auch für Kinder, Jugendliche, Musiker, Alte ….

WIE KANN ES SEIN? RAUB DER DEUTSCHEN SPRACHE: Nazis und SA von Gestern und Heute, Feinde der Demokratie, nutzen den kleinen, stolzen Satz „Alles für Deutschland!“ für ihre Zwecke. Und weil diese Demokratiefeinde so etwas posaunen, sollen wir das nicht mehr nutzen dürfen?, sollen Wortverbot bekommen?, und das befielt unsere Justiz? Wo kommen wir denn da hin? Wenn das schule macht? Selbst ein Halbverbot des Satzes ist kritisch zu sehen.
Selten sagen und schreiben wir das Wort „Deutschland“. Nicht, weil wir zumeist Deutsche sind. Nicht, weil wir Deutschland nicht lieben. Sondern weil es nicht nur durch die Nazis so viele unterschiedliche Klangfarben bekommen hat, politisch und auch vom Gefühl. Das Wort „Deutschland“ ist für viele nicht mehr der strahlende Stern. Es ist nur noch für wenige das Land der Ahnen und der Sehnsucht. Vielleicht für Auswanderer, Vertriebene, Flüchtlinge, Heimatlose… Es ist aber trotz aller Strömungen für mich, für viele, ein Wort der Hochachtung.

Und die deutsche Sprache ist ein Hort der Heimat, des eigenen Lebens und Denkens, des Zuhauseseins. Die Sprache gilt es zu behüten so wie unser Land. Da stören mich die vielen Anglizismen der Wirtschaft und der der Mode. Da wäre es gut, wenn wir uns kein Wort rauben ließen. Und auch keinen Satz. Wenn den Überdeutschen und damit Undeutschen, eben den Nazis „Alles für Deutschland“ zu sagen verboten wird, dann will ich es dennoch sagen dürfen, dann sage ich es auch. Nicht im Nazisinn, sondern aus vollem Herzen auf meine Art. Das soll mir niemand verbieten dürfen. Wer mir das verbietet, stellt sich ins Abseits gegen Deutschland.

WANDERVOGEL-ZUKUNFT: Als der Anbau auf dem Rabenhof in Greven-Lüttenmark für uns zur Verfügung stand, gründeten wir deshalb den Wandervogel e. V. nach den Verboten durch Nazis und DDR wieder. Da der Wandervogel allgemein im Westen weniger wurde und im Osten nicht mehr vorhanden war, brauchten wir neue Regeln. Wir waren sieben Gründer und entschlossen uns einen Lebensbund zu gürnden, der auch Menschen aus der Gesellschaft aufnimmt, die gern Wandervogel werden möchten und auch „Gäste“ willkommen zu heißen. Unser Entschluss führte dazu, dass die materielle Voraussetzung geschaffen wurde, das Wandervogelheim auf dem Rabenhof seit 1988 dauerhaft zu pachten. Außerdem gewannen wir Mitglieder bundesweit und im Ausland sowie bei Elbraben, Rabentänzern und weiteren Interessierten. Das Formelle gelang auf überschaubare und fast kostentragende Weise mit beitragszahlenden und spendenden Wandervögel-Gedanken bekennen und ihr Leben selbst allein und im Wandervogel gestalten, die im Bund eine tragende Rolle spielen. Insofern geht unser Ziel, Wandervögel für den Lebensbund zu gewinnen, bisher nur zum Teil auf. Damit ist der dauerhafte Bestand unseres seit Jahren recht aktiven Bundes für die Zukunft noch nicht gesichert. Von weiteren Menschen, die zur Zukunft des Wandervogels beitragen möchten, brauchen wir Unterstützung. 

BOIZENBURGER RUNDSCHAU & RABENHOF

Viele Gäste kommen seit Jahren auf den Rabenhof und zum Wandervogelbund. Wir sind häfuig im Sommer in Schweden und sehen, wie die Infrastruktur der Städte und ringsum erschlossen ist. Da ist in Boizenburg noch recht viel zu tun. Wir geben hier Rat.

BOIZENBURG RINGSRUM Boizenburg mit seinem Wall, seinem schönen Rathaus, dem vorzÜgklichen Kino und dem herrlichen Buchantiquariat von Eckhard. Weiter weg ist die Teldau mit vielen Wasserarmen für Bootfahrer, wie ein kleines dschungelartiges Venedig. Unweit Boizenburgs ist auch Lauenburg mit seinem Schloss und seiner alten Elbstraße.

Die Stadtinformation am Rathausplatz hat nachmittags, sonnabends und sonntags nicht geöffrnet. Anfang 2025 war die Information bis 10.1.geschlossen. Scheinbar war niemand in Boizenburg bereit, die Informationen ehrenamtlich zu übernehmen. Quartiere können dort auch nicht gebucht werden.Boizenburg ist scheinbar an Gästen nicht interessiert. Immerhin gibt interessante Stadtführungen.

Einen Boizenburg-Prospekt mit Stadtplan, Straßen, Sehenswürdigkeiten mit Tourenkarte 15km Umkreis gibt es ebenfalls nicht. Gegenüber Schweden ist das leider nicht vergleichbar. Kleidung gibt es in Boizenburg kaum zu kaufen.  Das Naturerlebnisbad Boizenburg ist von Etwa MitteMai bisetwaMitte September je nach Wetterlagegeöffnet, meiste Dienstags bis sonntags von 10 -20 h, manchmal erst ab 12:00 Uhr FKK-Zeiten nur mittwochs und sonnstags von 17:30bis 20:00. Deshalb ist das Baden oder Schwimmen dort leider nicht planbar. Da sind das Schwimmbad in Zarrentin und das freie Baden im Schwanensee bei Schwanheide vorzuziehen. Der Stadtpark bietet Aussicht über das Elbe-Delta, ist aber sonst wenig erlebnisreich gestaltet. Viel ist zu tun, Heimatmuseum Boizenburg, Fliesenmuseum Boizenburg  WEIDENSCHNECK am Stadtwall

DDR – GRENZE Im Westen dann liegt Leisterförde (Kiefernfurt) mit dem verschwundenen Dorf Wendisch – Liebs, das genau an der ehemaligen DDR-Grenze lag. Dorf gibt es auch den Grenzwanderweg, das Grenzmuseum und mitten im Wald die Elfenwiese, ein seltsames Lindengeviert mit einer herrlichen Wiese mitten im Wald. Dorthin fahren wir ab und zu mit dem Wandervogel. mitten auf der Weide.

EINKAUF Boizenburg +Boizenburg-Bahnhof:Mehrere Supermärkte, guter Grieche, preiswerte Türken, Herrschaftszeiten, Café Marie – von Behinderten betrieben, Konditorei, Kultur-Archiv = Zweitbücherei.

Am besten kaufe ich ein am Bahnhof Boizenburg gegenüber dem Bahnhof bei Norma. In der Nähe vom Rabenhof in Gresse ist der Frischemarkt an der Hauptstraße B 195 an der Kreuzung nach Schwanheide.

RUFBUS  Ab Boizenburg Bahnhof nach Lüttenmark Hauptstraße. Vorher bestellen.

FAHRRADWEGE  Fertig ist nun der Fahrradweg von Boizenburg von der Elbe-Naturregion bis Zarrentin zur Natur-Schaalseeregion und von Boizenburg zum Boizenburger Venedig und zur Elbfähre nach Bleckede.

BADEPLÄTZE Schwanheide mit dem Schwanensee hat den besten Badeplatz im groflen Baggersee weit und breit. In Schwanheide liegt auch der berühmte ehemalige Grenzbahnhof

ESSENGEHEN

ÜBERNACHTUNGEN Zimmervermietungen + Hotels in der Nähe Lütenmarks 08 km € 103 Waldhoptel  12 km € 105 Hotel Boizenburger Hof, 08 km Waldschlösschen Schwartow, 10 km Autobahnhotel Gudow, 18 km € 140 Seehotel Zarrentin, 02 km € 30 – 80 Monteurunterkunft Werbycki Gresse, 18 km € 100 Hotel Garni Villa Am Schaalsee, Außerdem gibt es Ferienwohnungen für mehrere Personen unter Immowelt sind ca. 20 Häuser in der Nähe zu kaufen.

KULTUR

BAHN

RABENHOF UMGEBUNG, GESCHICHT, NUTZUNG -19258 Greven – Lüttenmark, 0152 2198 3817

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 Den Rabenhof gab es seit vielen Jahrhunderten. 1892 wurde er durch einen Bauernhof aus Hamburg ersetzt.Er war eine Büdnerei mit kleinem Land, von dem eine große Familie nicht allein leben konnte. Räucherei, Bienenzucht, Schweine, H¸hner, Kaninchen gab es auf dem Hof. Auch ein Stück Wald gehörte dazu.

Heute ist der Rabenhof ein Wandervogelhof und einfaches Seminarhaus im alten Jugendherbergsstil mit Tanzsaal, Jurte, Feuerplatz, Gruppenräumen, Instrumentensammlung und Wandervogel-Archiv. Hier wird die Wandervogelzeitschrift und das Folkmagazin herausgegeben. Am Donnerstag um 20 Uhr werden europäische Volkstänze getanzt.

Privatnutzung, Gruppen, Kurzurlaube, Wochenenden, Urlaub, Lager auf dem Rabenhof – Wandervogelheim-Nutzung – Der Wandervogel e. V. hat einen Teil des Rabenhofes gepachtet. Um die laufenden Kosten tragen zu können und die Raumnutzung mehr auszulasten, bieten wir Wandervögeln, Freunden, Bekannten die Nutzung zur Erholung und zum gemeinsamen Tun für ihre Belange an. Bei Interesse ist es erfolgversprechender, wenn sich frühzeitig gemeldet wird. Evtl. ist die Nutzung mit anderen zu teilen.

Anmeldung: Schriftlich mit Anerkennung der Wandervogelheim-Nutzung,  Telefon: 0152 2198 3817 Anschrift: Rabenhof, Leisterförder Str. 23, 19258 Greven-Lüttenmark.Anfahrt: Bahn = Bahnhof Boizenburg-Bahnhof 12 km Rufbus.Kosten per Telefon.

Konto: wandervogel e.v., Diban DE 11 1405 2000 17289 12543 Sparkasse Mecklenburg-Schwerin

Preise 1. Im Wandervogelheim:  30 pro Nacht p. P. – Mindestbetrag € 50 + Endreinigung € 10 p.P.)  – Im Winter Heizkosten auf Absprache. 2. Wohnmobile das gleiche p. Person.

Zelten auf der Zeltwiese € 10 pro Nacht p.P. – Mindestbetrag € 50 + Endreinigung € 20 (Bei Selbstmähen, sonst zusätzlich € 30 für Mähen.)

Heimordnung –  allen Teilnehmern bekannt zu machen.

1. Besenrein hinterlassen, Müll incl. leerer Flaschen selbst entsorgen, Kompost auf Absprache, Heizungen abstellen, Kaffeekocher & Kühlschränke & Spülmaschine sauber,  2. Es können Küche mit Geschirr, Küchengeräten, bezogene Schlafräume, Gruppenraum unten (2. Gruppenraum im Spitzboden nur auf Absprache), 2 Klos, Dusche, Waschraum genutzt werden, außerdem die Wiese zwischen Remise und Wandervogelheim (Teils des Rabenhofes).Feuerstelle, Zeltwiese, Bienenwagen, Jurte,  sowie Tanzsaal (ohne Instrumenten- und Musikanlagennutzung) mit Mattenlager und Waschraum, Klo oben mit Sonderkosten auf Absprache. 3. Heizungen und Licht sind sparsam zu nutzen.4. Türen sind geschlossen zu halten wegen Katzen, Mäusen… 5. Schäden sind zu ersetzen.6. Holz und Kerzen für Jurte, Leihen einer Stoffjurte und einer Kohte, Heizungsnutzung auf Absprache.7. Elektrolautsprecher, Trommeln und Lärm nach 20 Uhr auf Absprache. 8. Tanzsaalnutzung nur mit Turn- oder bodenschonenden Tanzschuhen (helle Sohlen, keine hohen Absätze), barfuß oder auf Socken gestattet. 9. Feuer: Kerzennutzung und Feuermchen nur auf Absprache.10 Erste Hilfe: Ein kleiner Erstehilfekasten ist im Klo unten  9. Ein Plan über Unternehungsmöglichkeitne in der Nähe kann besprochen werden, ebenso die Historie um Lüttenmark.11. Liederhefte und Tanzmusikhefte können erfragt und entliehen werden. Wenn gesungen wird, ist Kooperation mit den auf dem Hof anwesenden Wandervögeln erwünscht.12. Fragen: Meist ist jemand auf dem Hof erreichbar. Sonst per Absprache.13. Wir wünschen einen angenehmen, glücksbringenden Aufenthalt im Wandervogelheim des Rabenhofs.

Wir freuen uns, wenn Wanervögel und FOLKIES einfach vorbeikommen, sich den Rabenhof anzusehen, um ihn vielleicht zu nutzen. Auch ohne besonderen Anlass. Du bist willkommen. 0152 2198 3817

Vielleicht 1 Stunden für einen Tee, um den Hof und den Wandervogel mehr kennenzulernen, oder einfach mit monija und mir zu schnacken.

Evtl. geht es auch über Nacht. Platz ist ja genug hier mit Gästebetten und vielen Matratzenlagern.

Hier blüht alles, viele Vögel sind hier, im Garten öfter ein Reh mit 2 Kitzen. Und die Umgebung ist herrlich. Der Schaalsee, das Boizetal, Boizenburg mit dem alten Graben rings um die Innenstadt und dem schönen Rathaus, mit der Elfenwiese und der Eiszeitkante, dem Wendengraben und den vielen Hünengräbern.

Und bei uns Kunst, Tanzsaal, viele Instrumente, tolle Lieder…, unserer Erdholzjurte zum Nachbau, hoffentlich bald wieder auch Tanzen.

AUSSTATTUNG DES WANDERVOGELHEIMS:  Übernachtungen: 12 Betten in einfachen Zweibettzimmern, Mattenlager, Zeltplätze, Wohnmobile Rabensaal: Ca 100 m2, Schwingfußboden, Platz für Musikanlage, Platz für Bands Gästeküche: mit Geschirr,Töpfen, Schnellkocher, Kaffeemaschinen, Geschirrspüler Gruppenräume: mit Freizeitliteratur, ca. 60 Sitzplätzen und Tischen – auch für Draußen, CDs, 2 Terrassen Gartenmöbel: Ca 60 Personen, Lehmbackofen, Außengrill, Maibaum, Feuerplatz Märchenjurte: ca. 30 Personen, Feuerplatz, Sitzplätze, Holz mitbringen Baumhaus: Für Jugendliche zum Klettern und Schlafen Ökoteich: Ca. 25 m2 Zelt-+Spielwiese: Wikingerschach 3 WCs, 2 Duschen, 3 Waschbecken, Heizung in Schlaf- und Gruppenräumen + Gästküche

Lage: Ca.50 km östlich Hamburgs,zwischenBoizenburg und Zarrentin. PKW: von Berlin Abfahrt Zarrentin Richtung Boizenburg, von Hamburg Abfahrt Gudow Bahn: Boizenburg – Bahnhof und Rufbus nach Lüttenmark Fahrrad + Wanderung: Fahrradweg von Boizenburg bzw. Boizenburg-Bahnhof 12 km, Bahnhof Schwanheide 8 km.

UMGEBUNG  9km: Elfenwiese, 12 km 29 Hünengrüber, Boizenburg mit Rathaus und Stadtwall, 8 km: Grenzmuseum im Freien, 8 km Schwanensee bei Schwanheide, 10 km Boizenburg Naturbad, 18 km Schwanheide Badeanstalt am Schaalsee, Viele Wanderwege in der Umgebung nur teils ausgeschildert, 28 km Lauenburg Hafenstraße und  Schloss, Gresse: 3 km Schloss + Hünengrab, 12 km Boizenburg Stadtinformation, 1 km Eiszeitkante, 1 km Wendengraben, viel Wald in der Umgebung, Heidelandschaft,

3/4 des Hauses sind Wandervogelheim und für € 1 im Jahr vom Wandervogel gepachtet. Zahlungen gehen ans Wandervogelkonto. wandervogel e.v. DIBA DE11 1405 2000 17289 12543 Sparkasse Mecklenburg-Schwerin.

LÜTTENMARK Lüttenmark ist fast 1000 Jahre alt, die kleine Kapelle Über 800 Jahre. Daneben ist die ehemalige Kirchenschule, die heute von der Feuerwehr renoviert wurde und genutzt wird.
‹ber die Boize hinweg ist die Eiszeitkante mit der Bungalowstraße, die zum Hatzberg führt. Dort oben brannten früher die Sonnenwendfeuer. 10 Kilometer entfernt ist die Bretziner Heide mit 29 jungsteinzeitlichen, slawischen Hünengräbern.
An der Hauptstrafle ist das beliebte Restaurant von Alexis, die Taverna Athen.

Im Westen von Lüttenmark sind breite Eichenalleen, so breit, dass ein voller und ein leerer Erntewagen aneinander vorbei fahren konnten. Im Sommer spendeten die Alleen Schatten, im Winter boten sie Eicheln für die berühmten Lüttenmarker Schweine. Kurz dahinter ist der Wendengraben, der 200 Jahre lang die Grenze war zwischen den wendischen Obotriten und den germanischen Sachsen, bei denen kampferprobte Bauern mit der zweischneidigen Axt kämpften.Die Dörfer Östlich der Boize haben bis heute wendische Namen und Lüttenmark als eiziges westlich an der Boize liegendes Dorf einen germanISchen Namen.

GERMANEN & WENDEN Die Germanen hatten so viele Kinder, dass sie auf Landsuche waren. Die Wenden hatten so viel Land, dass das wenig fruchtbare Sandland des Elbeurstromtals in Lüttenmark nicht bebaut wurde. Da kamen germanische Jungs ¸ber den Wendengraben, um Schafe und Ziegen zu weiden und Bienen zu züchten. Die Wendenjungs kamen r¸berund klauten Ziegen. Deshalb für die „kleine Burg“ die „Lüttenmark“ angelegt.

In der weiteren Umgebung gibt es im Norden den Schaalsee mit herrlichen Badepl‰tzen, einer inser zum Wandern und mit Segelmöglichkeiten mit unseren Freunden, im Sommer oft montags und dienstags.

FAHRTEN IN DIE UMGEBUNG Im Osten gibt es den besichtigungsw¸rdigen Zukunftspark in Nieklitz und die Hünengräber der Bretziner Heide.Mölln= Kirche, Markt, Eulenspielgel / Ratzeburg= Seen und Dom / Lübeck= Altstadt, Holstentor / Travemünde= Ostsee, Passat,Puppenspielmuseum / Hamburg = Hafen, Hagenbeck, Restaurants, alter Elbtunnel, Kunsthallel / Lüneburg = Altstadt.

ZARRENTIN Kloster, Zarrentin Schaalsee-Umweltinfo Pahlhus, in Zarrentin Schaalsee Wanderwege, evtl. Segeln und Schiffsfahrten und Bootfahren, Wandervögel segeln gern mit Franky, der sein Boot in Zarrentin beim Seglerverein liegen hat.

 

MÄRCHENJURTE – TEESTUBENGESPRÄCHE – LEBEN, GESUNDHEIT, NAHRUNG, LEBENSGESTALTUNG, WANDERVOGELLEBEN – FEUERSÄNGER

Hier geht es darum, die Leichtigkeit des Seins, den Weg zu Freude, Gesundheit, zum eigenen besseren Leben mit Selbstdenken und Denken von Freunden zu suchen, zu akzeptieren, zu finden. Dazu gehören Märchen, Erzählungen, Berichte von Erfahrungen, Träume, Gedanken zu Ahnen und vor allem und immer wieder Herzenslieder.

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KREATIVE WANDERVÖGEL – SEIT WIEDERGRÜNDUNG 1998 Stand 9.1.22

Heute im Wandervogel kreativ engagierte Wandervögel + Greifenträger:

ANKE – Asbahr – Schwanheide – Rabentänzer MV

BOB – Robert Lietzke – Berlin – Elbraben, Wandervogelchor, Noten, Berliner Wandervogel B

FRANKY – Frank von Morstein – Wittenburg – Musizieren, Allspeel, Singen MV

HEDO – Holland – Greven-Lüttenmark – Sprecher, MV

JÜRGEN – Schmahl – Boizenburg, Kasse, Rabentänzer MV

JUTTA – Schütte – Hamburg, Berichte, Elbraben HH

MARIANNE – Lange – Neckargemünd – Elbraben BW

MARTINA – Fichtner – Rosental – Tanzmeisterin, Rabentänzer SH

MAT – 3. Sprecher, Vorbereitungswoche , AUSLD

MONIJA – Holland-Malchow – Greven-Lüttenmark, 2. Sprecher, Rabentänzer MV

OLI – Oliver Schuster – Berlin – Vorbereitungswoche B

ULRIKE 1 – Krüttgen – Wentorf bei Lübeck  – Maibaumgestaltung SH

UWE – Thomsen – Mölln – Elbraben, Noten, Tanzmeister, Rabentänzer SH

Wir denken dankbar an unsere gestorbenen Wandervögel:

JOCHEN – Theuerkauf – Fenster, Tanzplatte NS

LOTHAR – Duisburg, Bau – Mauern, Türen NRW

SCHRAT – Helmut Stantze, Wahlhausen  – Europafahrt mit Esel und Pferd, Ausbau der Mühle in Wahlhausen THÜR

USCH – Festtafeleröffnungen, Leben im Geist der Indianer NRW

UWE – IMGART – Weg der Wandervögel, Noten, Liederbuchgestaltung NS

Außerdem: DIRK, GRETEL

Ausgeschieden: ATTI, CHRISTINA, INGRID, MAITRE, TINA, WOLFRAM

Meißnertreffen 1913 – 2013 – Zum Nachdenken

Meißner 2013

Ich nehme den Artikel von Helmut Wurm zum Anlass, vier Gedankengänge und Beobachtungen zu Meißner 1923 bis 2013 zu äußern.

1. Die Meißnerformel, 2. Das Zusammenkommen und Zusammenwirken  3. Die Form des Lagers 2013. 4. Das Extralager 

1.Die Meißnerformel ist eine der wenigen Aussagen aus der Wandervogel- und Reformbewegung, die von allen mit kleinen Abweichungen akzeptiert wird. Heute setzen wir dazu: „Das Leben selbst und in Gemeinschaft zu gestalten.“ Gemeinschaft wurde 1913 in der Formel nicht erwähnt, weil die damals viel selbstverständlicher war, als in unserer egoistisch-kapitalistischen Gesellschaft.

2.Das Zusammenkommen der Bünde, besonders der Wandervogel- und Jungenschaftsbünde war für mich immer ein eindrucksvolles, kreatives und zukunftsgerichtetes Treffen. Das war es auch diesmal. Nur das Zukunftsgerichtete kam zu kurz. Es waren diesmal bei großen Lager kaum Wandervögel dabei. Es gibt auch zur Zeit nur wenige.

3.Das Lager war auf dem Meißner riesig, großartig vorbereitet und strotzte von Aktionen, Happenings, Überraschungen. Ich war in den Jurten des Mindener Kreises sehr gut aufgehoben. Wandervögel waren kaum zu finden. Wieder andere brieten noch ihre Extrawürste. Die Pfadfinder, die Waldjugend und andere waren in der Lage ein Lager aufzuziehen, das Hochachtung verdient. Die große und gut vorbereitete Festveranstaltung hatte leider nur Vorträge, die mich nicht in den Bann zogen und wenig für die Zukunft der Menschen und Jugendlichen in Deutschland bot

3.Die meisten Wandervögel hatten sich in einem kleinen Extralager auf der Hausener Hute abgesondert. Dort fand die Festveranstaltung im Regen statt. Das Feuer wollte nicht brennen. Die Festrede von Ketscha, früher Bundesführer im Wandervogel Deutscher Bund, war die beste der gehaltenen Rede. Ich las sie erst später. Sie war schlecht vorgetragen, kaum zu hören und nicht zu verstehen und für den Regen viel zu lang. Ketscha war seines Alters wegen nicht dabei. Eine junge Frau trug die Rede vor. Und als einige ältere Gäste unaufgefordert das todesmutige Lied vom Rhein und heiligen Vaterland in Gefahren anstimmten, sank unsere Stimmung auf Null, und wir kehrten betroffen zum Ludwigstein zurück und fühlten uns wie Wanderer zwischen zwei Welten. hedo

(Zu Kenntis des Liedes, das von Nazis missbraucht wurde, das 1914 als Kaiser- und Kriegsförderung entstand, und das so nicht mehr singbar ist: Heilig Vaterland! In Gefahren deine Söhne sich um dich scharen. Von Gefahr umringt, heilig Vaterland, alle stehen wir Hand in Hand! 2. Bei den Sternen steht, was wir schwören. Der die Sterne lenkt, wird uns hören. Eh der Fremde dir deine Kronen raubt, Deutschland, fallen wir Haupt bei Haupt! 3. Heilig Vaterland, heb zur Stunde kühn dein Angesicht in die Runde! Sieh uns all entbrannt, Sohn bei Söhnen stehn. Du sollst bleiben, Land, wir vergehn!)

Der folgende Artikel regt zum Denken an, aber entspricht nicht der Meinung der Redaktion

Beitrag zur Entmythologisierung von Meissnertreffen und Meissnerformel

1913 von Puschkin (Helmut Wurm)

  1. (Der derzeit letzte Bearbeitungsstand dieses Kurzbeitrages ist der 8. 4. 013)
  2. Dieser Beitrag ist kein konformer Beitrag zum Chor begeisterten Meißnertreffen-Freunde, sondern ein Querdenker-Beitrag, der manche Sichtweise und Entwicklung hinterfragt. Er möchte begründen, weshalb das Meißnertreffen von 1913 keinen Kult-Charakter für die Wandervögel gehabt hat und weshalb die Meißnerformel von 1913 keine Kult-Formel und kein Kult-Ausdruck für die Wandervogelbewegung war und bis heute ist.
  3. Anfangs einige Begriffs-Richtigstellungen:
  4. Unter Jugend verstand man um 1900 eine andere Altersstufe als heute. Der Terminus „Jugend“ bezeichnete die Altersspanne etwa zwischen 16 bis 25 Jahren, also die Altersstufe Adoleszenz bis junge Erwachsene im heutigen Sprachgebrauch. Man sprach damals von gymnasialer Jugend, studentischer Jugend, akademischer Jugend, Turnerjugend, soldatischer Jugend… Die Altersstufe davor waren die Knaben und Mädchen. Der frühe Wandervogel war also keine Jugendbewegung im heutigen Sinne, sondern eine Bewegung von Adoleszenten und jungen Erwachsenen, die allerdings Jugendliche ab 14-16 Jahren um sich sammelten.
  5. Der frühe Wandervogel war primär keine Reformbewegung und keine Protestbewegung gegen die Erwachsenen, sondern primär eine unpolitische Entdeckungsbewegung der Natur außerhalb der Stadtballungen und eine Wanderbewegung hinaus in die Romantik. Die frühe Wandervogelbewegung benötigte sogar die Hilfen der Erwachsenen. Ohne Erwachsenenhilfe (z.B. einige Lehrer in Steglitz und die Eufrat-Mitglieder) hätte es die Gründung und den Aufbau der Wandervogelbewegung nicht gegeben.
  6. Es ist vielen heute Lebenden schwer, sich die beginnende Fluchtbewegung aus den StadtBallungen ab dem Ende des 19. Jhs. zu vergegenwärtigen. Die Menschen waren vorher in den Siedlungen weitgehend gefangen gewesen. Erst der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte die Erschließung der weiteren Stadtumgebungen und Deutschlands für größere Gruppenreisen. Um 1900 hatte das Eisenbahnnetz eine solche Dichte erreicht, dass man leicht und billig in jede Richtung fahren konnte. Es öffnete für die Wandervogelgruppen die Tore in die weite Welt. Ab den Wandervogelanfängen liest man in Fahrtengberichten, dass man sich an Bahnhöfen traf, mit dem Zug in die Fahrtengegend fuhr und die Fahrten an Bahnhöfen beendete. Es war nicht die Flucht vor dem Zwang der damaligen Erziehung, die den Wandervogel entstehen ließ. Reformfanatiker, damals wie heute, wollen das nur der Wandervogelgeschichte unterschieben.
  7. Um das Selbstverständnis des Wandervogels und seine Motivationen zu verdeutlichen, sollen einige Beiträge aus der Monatsschrift des Einigungsvereins „Wandervogels e.V.“ aus dem Jahr 1913 zitiert werden:
  8. Rudolf Sievers 1 beantwortete die Frage „Was ist der Wandervogel?“ so: Der Wandervogel will laut Satzung „Erstens… das Wandern der deutschen Jugend fördern, den Sinn für das Naturschöne wecken und der Jugend Gelegenheit geben, Land und Leute der deutschen Heimat aus eigener Anschauung kennen zu lernen“…
  9. 1
  10. Sievers, Schriftleiter dieser Zeitschrift in einem Artikel, der bewusst als Aussage für die geplante Festschrift des bevorstehenden „Freideutschen Jugendtages“ gemeint war; in: Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, Jahrgang 8, Oktober 1913, Heft 10, S. 278. Etwas dichterischer beschrieb Hans Breuer 2 die Fluchtbewegung der frühen Wandervögel aus den Städten und gleichzeitig die Wandlung vom wilden Vaganten-Wanderstil zum kulturromantischen Stil: „Und sie fluchten ihrer Großstadt, verhöhnten, was noch an Heiligem an ihr klebte. Sie kürten sich Armut, Not und Entbehrungen, stürmten hinaus in wilde Klüfte und Wälder und tagten dort in der Einsamkeit. Das war eine wilde, schöne Zeit… Aber mählich, wie sie reifer wurden, zog’s sie, die bäuerlichen Stuben zu schmecken, durch Gässchen altfränkischer Städtchen zu schweifen, sie sahen den feierlichen Ernst wuchtiger, rundbogiger Münster, die ragenden Dienste gotischer Kathedralen und spürten einen Hauch von ihrem Genius“.
  11. Und der neu gewählte Bundesführer 3 des neu gegründeten Einigungsbundes e.V. warnte im selben Heft vor Reformern auf diesem geplanten Freideutschen Treffen, vor denen man Vorsicht haben müsse. „Aber da kommen aus dieser Jugend selbst einige hervor und raunen und rauschen den anderen heimliche Dinge ins Ohr. Und sagen: Das Wandern und Singen an sich ist gar nichts wert. Wir müssen eine neue Jugendkultur schaffen, darauf kommt alles an… Ich bin auch anderen begegnet, Jünglingen mit schmachtenden Augen, denen war das Herumlaufen mit nackten Beinen und bloßem Kopf und das Tragen langer Haare wichtiger als die ganze Wanderei… Wieder andere habe ich getroffen, die wollten, dass der Wandervogel… sich… mit allen möglichen anderen Verbänden, die auf Lebenserneuerung drängen, zu gemeinsamer Arbeit zusammenschließe,… als ob das nicht der Tod einer Jugendbewegung sein müsste… Unsere Liebe sei Wald und Heide, Berg und Strom. Unser Ruf sei derselbe… Hinaus in die Ferne“.
  12. Und im nächsten Heft 11 antwortete Edmund Neuendorff auf den Antrag von Wandervogelführern, Teilnehmern am gerade zurückliegenden Meißnertreffen, der Meißnererklärung beizutreten: Der Antrag werde der nächsten Bundesversammlung des e.V. vorgelegt, „Aber wir im Wandervogel dürfen nie und nimmer vergessen, dass unsere erste und ernsteste und heiligste Aufgabe sein muss: Förderung des Wanderns und der von selbst aus ihm erblühenden und durch Lebenskräfte notwendig mit ihm verbunden äußeren und inneren Kultur deutscher Jugend.“ 4
  13. Für die Wandervogelbewegung passte zusammenfassend gut die spontane Formulierung von Muck-Lamberty (Friedrich Lamberty, genannt Muck) 1919: „Unsere Fahrt geht ins Blaue…“
  14. Natürlich gab es auch Wandervögel, die froh waren, der damaligen Erziehungswelt und Familienwelt entweichen zu können. Aber das war nicht die primäre Intention der neuen Bewegung. 5 Und es gab auch früh Versuche, diese neue Bewegung zu ideologisieren. Aber es war hauptsächlich die harmlos-naive Ideologie von der Suche nach der blauen Blume, die aus der Romantik übernommen wurde, die man dem Wandervogel überstülpte.
  15. Diese ideologisch naiv-harmlose Wandervogelbewegung war z.B. dem Reformpädagogen Wyneken nicht ernsthaft genug. Er meinte, der Wandervogel habe in Lied und Tanz einen Ausdruck jugendlichen Frohsinns gefunden, sich damit aber auch bereits zufrieden gegeben und habe es sich wohl sein lassen. Die ganze künstlerische Einstellung des Wandervogels sei auf bloßen Stimmungsgenuss gerichtet, und zwar auf einen ziemlich bequemen und billigen Genuss.6
  16. 2
  17. Hans Breuer, ehemaliger Bundesführer des Wandervogels D.B., der als größter Teilbund im e.V. aufgegangen war; ebenda S. 283.
  18. 3 Edmund Neuendorff, Schulleiter; ebenda S. 302f. 4 Edmund Neuendorff, Wandervogel…, Heft 11, S. 332f. 5
  19. Diesbezüglich sollte man die weitergehenden Behauptungen von Blüher mit Zurückhaltung zur Kenntnis nehmen, denn überall dort, wo er interpretiert, ist große Zurückhaltung geboten.
  20. 6
  21. Nach http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/, Artikel zu Gustav Wynneken, 556277#sel=20:1,20:58 II. Die Einladung zum Meißnertreffen
  22. Der Beginn des Vorhabens ist etwa Ostern 1913 zu datieren. Denn damals bekam die Idee von einem alternativen Jahrhundertfest einen wesentlichen Anstoß. Denn auf dem Bundestag der Deutschen Akademischen Freischar (DAF) in Jena machte ein Gast, welcher Mitglied des Deutschen Bundes abstinenter Studenten (DBaSt) war, den Vorschlag eine würdige, insbesondere alkoholfreie, Gedenkveranstaltung zu Ehren der Völkerschlacht bei Leipzig durchzuführen. Dieser Vorschlag wurde in den Reihen der DAF mit Begeisterung aufgenommen und fortan blieb die DAF die treibende Kraft hinter den Vorbereitungen des Ersten Freideutschen Jugendtages. Man nahm anschließend Verbindung zu anderen Bünden und Studentenverbindungen auf, auch zu den damaligen Wandervogelbünden. 7 Der erste historische Anschub zu diesem Alternativtreffen ging also nicht von den Wandervögeln aus, sondern von einer Bundesrichtung, die – durchaus nachvollziehbar – ein Treffen von jungen Erwachsenen und insbesondere von Studenten vorschlug, dass sich nicht in den damaligen Maßstab einordnete, der den deutschen Mann nach seiner Fähigkeit maß, wie viel Alkohol er vertragen konnte. Dieser enge Ideengeber-Kreis suchte nun nach Bünden, die ein solches Treffen mit gestalten würden. Die Mehrzahl der hinzu geworbenen und besonders aktiven Bünde waren kleinere Reformgruppen mit verschiedenen anderen Zielsetzungen, daneben 2 Wandervogelbünde.
  23. Ein erstes Treffen interessierter Bünde zur Vorbereitung eines solchen Treffens fand Pfingsten 1913 in Jena statt. An diesem Treffen nahmen 13 Bünde teil und hier wurden Name, Ort und grober Ablauf des Festes festgelegt. Der Name „Freideutscher Jugendtag“ orientierte sich nach einem Vorschlag des Urwandervogels Friedrich Wilhelm Fulda, dem damaligen Verantwortlichen der Wandervogel-Führerzeitschrift. Den Hohen Meißner als Ort schlug Christian Schneehagen vor, Mitglied der Deutschen Akademischen Freischar und späterer Mitorganisator des Meißnertreffens.8
  24. Der erste Aufruf im Sommer 1913 erschien in der Wandervogel Führerzeitung (Heft 7, 1913) und wurde im Namen der Deutschen Akademischen Freischar von Knud Ahlborn unterschrieben. Der zweite Aufruf erschien kurze Zeit später im Gaublatt „Nordmark“ des Wandervogel e. V. (Heft 4, 1913) und war erstmalig von allen veranstaltenden Bünden unterschrieben. Als Festleitung wurde Christian Schneehagen angegeben.
  25. Folgende Bünde schlossen sich zur Vorbereitung und Einladung zusammen:
  26. Deutsche Akademische Freischar, Deutscher Bund abstinenter Studenten, Deutscher Vortruppbund, Bund deutscher Wanderer, Wandervogel e.V., Jungwandervogel, Österreichischer Wandervogel, Germania – Bund abstinenter Studenten, Freie Schulgemeinde Wickersdorf, Bund für freie Schulgemeinden, Landschulheim am Solling, Akademische Vereinigungen Marburg und Jena, Serakreis Jena, Burschenschaft Vandalia Jena.9
  27. Zum Meißnertreffen 1913 hat es mehrere Einladungen gegeben. 10 Die letzte Einladung zum Meißnertreffen, weitgehend formuliert von Gustav Wyneken, war eine pathetisch-
  28. 7
  29. Eng angelehnt an die Mitteilung in http://buendische-vielfalt.de/?p=3353 und http://buendischevielfalt.de/?p=3460, die wiederum als Quelle angeben: Johannes Jacobs (kugel), Was war das – das Meißnerfest 1913?, Kiel 1987, Seite 42-43.
  30. 8
  31. http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Freideutscher_Jugendtag#cite_note-1 9
  32. http://buendische-vielfalt.de/?p=933, siehe dort: Was ließen jene… #2 – Aufrufe zum Freideutschen Jugendtag… ; 10
  33. http://www.digam.net/dokument.php?ID=9247&PHPSESSID =54853573ed0494d618a5b774685e474f (=Digitales Archiv Marburg, DigAM); Siehe auch die ausgewählten Quellen im Eisbrecher, http://www.der-eisbrecher.de/cont_files/df_meissner.pdf und; http://buendische-vielfalt.de/?p=3117; http://buendische-vielfalt.de/?p=1450; http://buendische->
  34. de/?p=933 rhetorisch-suggestive Meisterleistung eines Krisen-Manifestes zur angeblichen Situation der deutschen Jugend um 1900.
  35. Formulierungen wie „Die deutsche Jugend steht an einem Wendepunkt…, träge Gewohnheiten der Alten und den Geboten einer hässlichen Konvention,… Wir wollen auch weiter getrennt marschieren, aber in dem Bewusstsein, dass uns ein Grundgefühl zusammen schließt, so dass wir Schulter an Schulter gegen die gemeinsamen Feinde kämpfen,… Möge von ihm eine neue Zeit deutschen Jugendlebens anheben“ suggerieren einen Jugendnotstaat und negieren, dass damals die Erziehung durch Eltern und Schulen in vielen Fällen besser war als die heute häufige Nicht-Erziehung und schlechte Erziehung durch viele Medien. Die damalige Erziehung war zugegeben etwas überbehütet, zu konventionell, aber zu einer allgemeinen Dramatik war kein Anlass. Diese Sorge ist eher für die Gegenwart berechtigt.
  36. Zusammen mit den früheren Aufrufen zu einem Meißnertreffen, jeweils formuliert von Knud Ahlborn, Christian Schneehagen bzw. W. Groothoff, wird die Absicht erkennbar, dass eine Minderheit von Reformern und Reformgruppen mit Hilfe von zahlenmäßig größeren Verbänden, z.B. dem Wandervogel, ihre Reformvorstellungen und Ziele in die Gesellschaft tragen wollte. Der Wandervogel war als zahlenmäßig starke Hilfstruppe geplant, die ideelle Leitung sollte aber bei den Reformern bleiben.
  37. Die Formulierung „Die“ deutsche Jugend… suggeriert, dass hier die gesamte deutsche Jugend angesprochen würde. In Wirklichkeit betraf das nur die Jugend der bürgerlichen Sozialschichten. Die bäuerliche Jugend, damals noch der weitaus größte Anteil, hatte weder Zeit noch Gelegenheit für Freiräume. Die zunehmende Arbeiterjugend hatte andere Sorgen, nämlich die finanzielle schmale Basis und überlange Arbeitszeiten, und war größtenteils in den sozialistischen Jugendorganisationen erfasst. Für obige Reformideen, für pädagogische Freiräume und auch für die notwendige Zeit dazu kam nur die bürgerliche Jugend der mittleren und höheren Sozialschichten in Frage. Diese dürften damals kaum mehr als ca. 10 % der damaligen Gesamtjugend insgesamt umfasst haben.
  38. Zu den tragenden Kräften des Meißnertreffens
  39. Das Meißnertreffen 1913 wurde primär geprägt von der DAL, der Deutschen Akademischen Freischar. Diese Bewegung war von dem zu Reformen neigenden Knud Ahlborn und seinem Freund Hans Harbeck 1907 in Göttingen gegründet worden und als eine Weiterführung der Wanderverein-Bewegung im Bund Deutscher Wanderer speziell für die Sozialschicht der Studenten.
  40. Knut Ahlborn hatte in Hamburg 1905 als 17-Jähriger den ersten Wanderverein gegründet. Dieser Hamburger Wanderverein beschrieb sich als „Selbsterziehungsverein höherer Schüler“. Der daraus entstandene Bund Deutscher Wanderer formulierte sein Ziel so: „Vom Wanderer zum Menschen, das ist unsere Erkenntnis und unser Ziel“. Damit war seine Zielsetzung pädagogischer Art und stand in der pädagogischen Tradition, die Goethe in seinem damals viel beachteten Erziehungsroman „Wilhelm Meister“ ausgesprochen hatte, dass nämlich der Mensch nur durch Wandern und Reisen zur inneren Reife gelangen könne.
  41. Die erste Deutsche Akademische Freischar (DAL) in Göttingen hatte bewusst statt der ursprünglich geplanten Bezeichnung „Akademischer Wanderverein“ den kämpferischeren Namen Akademische Freischar gewählt. In der Gründungsurkunde beschrieb man sich als „Kampfbund zur Reform des Deutschen Studententums“. Man verstand sich als Alternative zu den traditionellen Studentenverbindungen und war gegen das studentische Fechten und Trinken und hielt weiterhin am goethischen Ideal der Menschenbildung zum Guten und Schönen fest. 1913 formulierte die Akademischer Freischar eines ihrer Ideale so: „Alle Veranstaltungen der Freischar haben Gesundheit und Schönheit zum obersten Gesetz“. Damit war die Akademische Freischar keine studentische „Roverstufe“ für Wandervögel, sondern eine elitäre und letztlich pädagogisch orientierte Bewegung, die mit dem viel „naiveren“ Wandervogel nur das Wandern, aber nicht die Zielsetzungen gemeinsam hatte.
  42. Es war auch nicht so, dass die älteren Wandervögel automatisch oder hauptsächlich als Studenten in die örtlichen Freischargruppen eintraten. In Heft 4 der Zeitschrift des e.V. Wandervogel… vom April 1913 gab es dazu eine kleine Diskussion in Form von 4 Lesermeinungen. 11 Eine Zuschrift empfahl den Eintritt studierender Wandervögel in die Freischar, weil die Ziele studentischer Verbindungen über die Ziele des Wandervogels hinaus gingen (z.B. Stellungnahmen zu verschiedenen Kulturfragen) und die Wandervogelziele nicht mit solchen studentischen Zielen vermengt werden dürften. Der Schreiber bedauerte gleich-zeitig, dass sich bisher so wenige studierende Wandervögel der Freischar oder vergleich-baren studentischen Korporationen angeschlossen hätten und schlug vor, offiziell für solche Übergänge nach der Schüler-Wandervogelzeit zu werben. „Ich halte es für das beste, die Wandervögel immer wieder auf die Freischar und ähnliche Verbindungen hinzuweisen. Dass sich bis jetzt so wenige angeschlossen haben, mag zum Teil daran liegen, dass diese Verbindungen noch zu neu und unbekannt sind… Dazu kommt, dass er seine Bekannten meistens im Wandervogel hat und nicht in der Freischar.“ 12
  43. Die anderen 3 Leserzuschriften hielten durchaus studentische Wandervogelgruppen als Gruppierung für die älter gewordenen Wandervögel für sinnvoll und verwiesen auf schon bestehende akademische Wandervogelgruppen. Auch die studentische Wandervogelgruppe um Hans Breuer in Heidelberg lebte ihre Wandervogeltradition als weitgehend akademische Gruppierung, die Heidelberger Pachanthey, in Heidelberg weiter.
  44. Knud Ahlborn war zusammen mit einigen anderen Freunden aus der Freischar der Hauptinitiator des Freideutschen Jugendtages auf dem Meißner und der so genannten Meißnerformel, wobei Ideengeber für die Formulierungen vor ihm möglich sind. Knud Ahlborn war von seiner Anlage her ein Mensch, für den Aspekte der Menschenbildung von zentraler Bedeutung waren und der in gewisser Weise lebenslänglich zu Idealisierungen, Reformen und Neugründungen neigte.
  45. Dass sich Knud Ahlborn in Göttingen kurz vor seiner Gründung der Akademischen Freischar der dortigen Altwandervogel-Gruppe angeschlossen hatte, hat nicht die Bedeutung, dass er die Freischar als „Rovergruppe“ des Wandervogels verstand. Wie intensiv er neben seiner Freischargruppe noch Kontakt zu dieser Altwandervogel-Gruppe pflegte, kann nicht gesagt werden. Aber gerade der Altwandervogel hat damals die Teilnahme am Freideutschen Jugendtag abgelehnt. Vielleicht kannte man dort die Sympathien von Knud Ahlborn für Reformer und Reformbünde…
  46. Zum Meißnerfest und der Rolle der Wandervögel
  47. Gegenüber Versuchen der politischen Einflussnahme und Vereinnahmung suchten die Wandervogel-Verantwortlichen meist Neutralität zu wahren. So fand der Erste Freideutsche Jugendtag auf dem Hohen Meißner im Oktober 1913, für den der Wandervogel den Boden bereitet hatte, offiziell ohne seine Beteiligung statt.13
  48. Dass trotz der unsicheren bzw. ablehnenden Haltung der großen Wandervogelbünde doch ca. die Hälfte der Teilnehmer Wandervögel war, lag daran, dass der e.V. kurzfristig keine eigene Parallelveranstaltung wie der Altwandervogel geplant hatte. Viele Gruppen hatte längerfristig die Reise geplant und die Fahrkarten schon gekauft. Ein Teil der Teilnehmer
  49. 11
  50. 12
  51. 13
  52. Wandervogel…, Jahrgang 8, April, Heft 4, 1913, S. 119ff. ebenda, Walter Fischer, Berlin… http://de.wikipedia.org/wiki/Wandervogel aus diesem Bund wurde aber bereits auf diesem Treffen vom Charisma der MeißnerErklärung ergriffen.
  53. Der Jungwandervogel, der sich bis zuletzt an der Einladung offiziell beteiligt hatte, äußerte sich nachträglich teilweise spöttisch-kritisch zu all den vielen Idealisten, Sektierern und Reformern. Ein Berichterstatter schrieb: Es „kamen Leute und sagten, der politische Linksliberalismus wolle die Jugend fangen; die Linksliberalen freuten sich und glaubten’s vielleicht selber, und die „Nationalen kamen“, um die Jugend zu „retten“. Und wir, die Jugend – lachten. Kümmerten uns den Teufel um Politik. Gingen mit offenen Augen und Ohren hin zum Meißner-Fest, und hätte uns einer von Politik erzählt, dann wären wir singend von dannen gezogen… Wir haben uns zwar mühsam verschiedener Apostel erwehren müssen, die uns vor ihren Wagen spannen wollten, haben aber auch Männer kennen gelernt, die die Jugend achten und ihr helfen wollen um ihrer selbst willen“14
  54. Und der Komponist des Liedes „Wir wollen zu Land ausfahren…“, Kurt von Burkersroda, ebenfalls Jung-Wandervogel, schrieb nachhinein über das Hahnsteintreffen vorher: „Eine zeitlang ist nur Getümmel und Gesummel. Während dessen macht man Studien. Weiße und blaue Pludermützen,… ausgesprochene Zwiebacknasen, fantastisch-hagere Abstinenzlerund Rohköstlergesichter mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Mancherlei Fähnlein hängen müde hernieder, und ich höre, wie vor mir einer erklärt: Dort sitzen Volkserzieher, die massive Erscheinung da ist Popert, dahinten sitzen die Himbeersaftstudenten, und die Fahne mit dem Rad, das ist das Banner des Serakreises!
  55. In verschiedenen Ecken feiert die Kleiderreform wilde Orgien mit Kitteln in allen Regenbogenfarben. Der E.V. läßt krampfhaft seine Storchnadel sehen, die anscheinend immer größere Formen annimmt. Und über all dem Mischmasch von Loden, Manchester, Bundtuch, Reformhemden, Umhängen und Touristenanzügen ein Meer von erwartungsvollen Augen…15
  56. Wenn auch eine Reihe Wandervogelgruppen nachträglich positiv vom Meißnertreffen 1913 berichtete, so bestand doch ein Teil der Wandervogelteilnehmer hauptsächlich nur aus Neugierigen, Verlegenheitsbesuchern, Lauwarmen, Kritikern und zog recht unbekümmert wieder nach Hause.
  57. „Wenig hat am Ende jene historische Tagung auf dem Hohen Meißner ergeben – nur ein Versprechen, das nie gehalten wurde, und eine Formel, die jedem etwas anderes bedeutete und die auf jeden Fall keine spezielle Jugendformel war. Für die Jungen und Mädchen im Wandervogel mag das nicht sehr von Belang gewesen sein: Lachend hatten sie auf dem Hohen Meißner zugesehen, wie Links und Rechts sich mühten, sie für ihre Zwecke zu mobilisieren“. 16
  58. Und kaum ein Jahr später zogen die Wandervögel voll nationaler Begeisterung in den 1. Weltkrieg und in die Schlacht bei Langemarck, obwohl doch das Meißnertreffen 1913 sich gegen den damaligen Hurra-Patriotismus mit Soldatenfeiern gewandt hatte.
  59. Zur charismatischen Wirkung der so genannten Meißner Formel
  60. 14
  61. Nach Jung-Wandervogel, Zeitschrift des Bundes für Jugendwandern „Jung-Wandervogel“, 3. Jahrg., Nov./Dez. 1913, Heft 11/12, S. 161; zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock, wobei in dieser Textzusammenstellung eine Fotokopie der betreffenden Zeitschrift-Ausgabe enthalten ist, so dass man auch direkt von dieser Fotokopie zitieren kann.
  62. 15
  63. Ebenda, s. 161f; ebenfalls zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock.
  64. 16
  65. Siehe http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/469190 Mitreißende Schlagworte, griffige Formulierungen, eingängige Merksätze machen mehr Geschichte und haben größere Wirkungen als dicke Bücher. Das gilt seit den Anfängen der Geschichte: „Es gibt nur 1 Gott, du sollst nicht andere Götter neben mir haben; Ich weiß, dass ich nichts weiß; Hier stehe ich, ich kann nicht anders; Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen; Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit; Proletarier aller Länder, vereinigt euch; Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“… In die Reihe diese wirkungsträchtigen Formulierungen gehört auch die Meißnerformel. Sie war es, die dem Treffen von 1913 erst Bedeutung und Geschichtlichkeit verschafft hat. Ohne diese „Formel“ würde sich heute kaum noch jemand dieses Treffens erinnern. Sie füllte eine Lücke aus, die damals im soziologischen Raum offen stand.
  66. Die erste Wirkung dieser Erklärung war, dass sie sukzessive den teilnehmenden und auch nicht teilnehmenden Bünden bewusst gemacht hat, dass die damaligen Bewegungen von Adoleszenten und jungen Erwachsenen in irgend einer Form direkt oder indirekt ein Sich-Abgrenzen, ein Protest gegen die damalige Gesellschaft waren oder wurden und dass man Reformen praktizierte, auch wenn man sie bewusst nicht geplant hatte. Diese griffige Erklärung, obwohl inhaltlich ein Allgemeinplatz, der für alle protestierenden Generationen der Geschichte Gültigkeit hat, begann allmählich sogar Pfadfindergruppen in ihren Bann zu ziehen. Und dass besonders die anfangs kritischen Wandervögel das Gedenken an Formel und Treffen von 1913 am Leben erhielten, ist schon ein beachtenswerter charismatischer Erfolg, eigentlich ein kleiner Treppenwitz der Weltgeschichte.
  67. Diese Formel war nicht nur griffig, sie beinhaltete auch Zwang und verlangte unbedingte Geschlossenheit. Die Schlussworte „Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein“ bedeuten eigentlich ein suggestives Einschwören auf diese Formulierung, die die Besucher des Treffens 1913 vorher noch gar nicht gekannt hatten, wobei hinter dem Hinweis auf „innere Freiheit“ auch Ziele von Bünden stehen konnten, die nicht jeder damals und heute akzeptieren möchte.
  68. Man muss sich diesen Vorgang einmal genau vor Augen halten. Da fühlten sich einige Freischärler unter Führung von Knud Ahlborn als Sprachrohr aller Teilnehmer dieses Treffens und fordern entschiedenes Eintreten aller für dasjenige, was sie während einer Wanderung ausformulieret hatten. Das war im Grunde ein gewisser Fraktionszwang, eine Bevormundung.
  69. Wäre diese Meißner-Erklärung in einem demokratischen Formulierungsprozess entstanden, wäre sie real eine Erklärung der damals Versammelten gewesen. So war sie eine Forderung weniger, die aber durch das Charisma ihrer Worte nachträglich immer mehr Bünde hinter sich versammelte.
  70. Diese Formel hat die Wandervögel im Zuge des Wandels des soziologischen Begriffes Jugend erst zu einer Jugendbewegung im Sinne von Nichterwachsenen gemacht. Denn das Wort und der Begriff „Jugend“ sind in der Formel geblieben, der Sinn von Jugend hat sich aber geändert. Das hat längere Zeit die Rolle von Älteren in den bündischen Gruppierungen verunsichert. Erst in der Gegenwart beginnt sich, auch durch den demografischen Wandel, das Selbstverständnis einer großen bündischen Familie über alle Altersstufen hinweg durchzusetzen.
  71. Dass sich diese Erklärung auf Wandervögel und Pfadfinder ausweitete, hängt auch damit zusammen, dass die Leitideen von diesen Bünden nicht soziologisch kritisch und reichhaltig genug sind, um auch für darüber hinaus Interessierte einen Heimatraum zu bieten. Die Wandervogelromantik erschöpft sich irgendwann einmal und die Pfadfindertechniken hat man irgendwann einmal gelernt…
  72. In dieser Formel fand man einen gedanklichen Anstoß für übergeordnete Ideen. Welche vielfältigen Assoziationen eröffnen sich bei den Worten „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung“… Sie motivieren dazu, unbeirrt dem zu folgen, selbstüberzeugt das umzusetzen, was man für richtig hält. Es ist im Grunde ein Freibrief für alternative Ziele und Lebensformen jeglicher Art schon in jungen Jahren.
  73. Vorschlag für einen zurückhaltenderen Umgang mit der Meißnertradition und der Meißnerformel
  74. Charismatische Sätze, Erklärungen, Aussagen, Formeln können initiieren, sammeln und stärken, sie können aber auch negative Wirkungen entfalten, indem sie z.B. historische Zusammenhänge vereinfachen und Pluralismus gefährden.
  75. Zugegeben: Für Bündische, die von der Meißnererklärung 1913 begeistert waren und die teilweise verzückt auf diese Formel starrten, ist es unerheblich, ob ihre Gruppierungen diese Erklärung inhaltlich von Anfang an unterstützten oder erst allmählich in ihren Sog gerieten.
  76. Aber die Sorge vor einer Beeinträchtigung von Pluralismus sollte man etwas ernster nehmen. Die Wandervogelbewegung entwickelte sich bereits kurz nach ihrer Gründung pluralistisch. Pluralismus kann eine Bereicherung sein. Die charismatische Formulierung dieser Meißner-Erklärung und besonders ihre Forderung nach Geschlossenheit hinter ihrer Aussage kann aber Pluralismus beeinträchtigt, indem einmal Bünde, die nicht allen Zielen anderer Bünde zustimmen, in ihrem individuellen Selbstverständnis verunsichert werden und zum anderen, indem Bestrebungen entstehen, unliebsame und nichtkonforme Bünde von dieser beschworenen gemeinsamen Plattform auszuschließen. Deswegen sollte man den Einfluss dieser Erklärung etwas zurück fahren.
  77. Für das 100jährige Gedächtnistreffen im Herbst 2013 könnte das konkret bedeute:
  78. – Dass man auf die Suche nach einer ähnlich charismatischen Erklärung verzichtet und sich höchstens auf eine einfache Aussage beschränkt oder noch besser jedem teilnehmenden Bund eine eigene Erklärung zubilligt.
  79. – Dass man kein gemeinsames Meißnerlager 2013 anstrebt, sondern jedem beteiligten Bund ein eigenes Lager am Meißner zuspricht und nur zu zentralen Veranstaltungen an einem Ort zusammen kommt. Vielleicht kann man sich auch in dieser Form gegenseitig besser ertragen, wenn man nicht für die Freiheit der Ziele der anderen Gruppen eintreten muss.
  80. – Dass man aufgibt, die Welt irgendwie entscheidend zu reformieren und verbessern zu wollen, denn das ist nach allen Erfahrzungen der Geschichte leider nicht möglich. Es ist nur sinnvoll, dass jeder Bund versucht, um sich kleine Inseln des Vernünftigen und Guten zu schaffen, so wie Alexej Stachowitsch das fordert.
  81. Denn das Meißnertreffen von 1913 hat keinen Kult-Charakter für die Wandervogelbewegung gehabt und die Meißnerformel von 1913 war keine Kult-Formel und kein KultAusdruck für die Wandervogelbewegung und ist sie bis heute nicht. Es gibt nur nach dem 2. Weltkrieg zunehmende Strömungen, sie dazu zu machen.
  82. Einige Literaturhinweise
  83. http://buendische-vielfalt.de, z.B. zwölfdreizehnschnipseleien januar 13 und märz 13, hansische Meißnerschnipsel usw. Auf dieser Webseite sind in den letzten Monaten interessante Quellen zum Meißnertreffen 1913 zusammen getragen worden. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.
  84. – Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, verschiedene Hefte des Jahrgangs 1913 – Helwig, Werner, Die blaue Blume des Wandervogels, Deutscher Spurbuchverlag, überarbeitete Neuausgabe, hrsg. Von Walter Sauer, 1998.
  85. – Speiser, Heinz, 1977: Hans Breuer – Wirken und Wirkungen, eine Monografie, Burg Ludwigstein.
  86. – Wurm, Helmut 1990: Vorarbeiten zu einer interdisziplinären Untersuchung über die Körperhöhenverhältnisse der Deutschen im 19. Jahrhundert und der sie beeinflussenden Lebensverhältnisse, 2 Teile. Teil 1: Einleitende Begründung, quellenkundliche Probleme, quellenkundliche Vorarbeiten für die politischen Einzelräume von Norddeutschland bis Württemberg. Teil II: Quellenkundliche Vorarbeiten für Baden, Elsaß-Lothringen, Bayern, das gesamte Deutsche Reich, zusammenfassende Auswertung, ernährungshistorische Hinweise, Schrifttum. in: Gegenbaurs morphologisches Jahrbuch, Bd. 136, S. 405-429 und S. 503-524.
  87. (In dieser Untersuchung waren nur die Wachstumsverhältnisse ab 18 Jahren betrachtet worden. Es wurden die damaligen Messungen an Turnern, Soldaten, Studenten usw. ausgewertet, wobei immer wieder die Klassifikation Turnerjugend, soldatische Jugend, studentische Jugend usw. auffiel)
  88. – Eine Internet-Suche (z. B. in http://de.academic.ru; wikipedia; scout-o-wiki, buendische-vielfalt) zu den Schlagworten „Jugendbewegung, Altwandervogel, Wandervogel e.V., Meißner 1913, Freideutscher Jugendtag, Meißnererklärung 1913, Knud Ahlborn, Gustav Wyneken, akademische Freischar, Bund deutscher Wanderer“ usw. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.
  89. – Siehe auch: Hoher Meissner 1913. Der Erste Freideutsche Jugendtag in Dokumenten, Deutungen und Bildern, hrsg. von Winfried Mogge und Jürgen Reulecke, WochenschauVerlag, 1988, 422. Seiten.
  90. (Verfasst von Helmut Wurm, März 2013. Der Hinweis und der Terminus, dass die so viel zitierte Meissnerformel „keinen Kult-Charakter“… für die Wandervogelbewegung habe, stammt von Alexej Stachowitsch, Axi, der das in einem telefonischen Gespräch mit dem Verfasser über diesen Beitrag ergänzend knapp 1 Woche vor seinem Tod so formulierte. )erdint.

Beitrag zur Entmythologisierung von Meissnertreffen und Meissnerformel

1913

(Der derzeit letzte Bearbeitungsstand dieses Kurzbeitrages ist der 8. 4. 013)

Dieser Beitrag ist kein konformer Beitrag zum Chor begeisterten Meißnertreffen-Freunde, sondern ein Querdenker-Beitrag, der manche Sichtweise und Entwicklung hinterfragt. Er möchte begründen, weshalb das Meißnertreffen von 1913 keinen Kult-Charakter für die Wandervögel gehabt hat und weshalb die Meißnerformel von 1913 keine Kult-Formel und kein Kult-Ausdruck für die Wandervogelbewegung war und bis heute ist.

  1. Anfangs einige Begriffs-Richtigstellungen:
  1. Unter Jugend verstand man um 1900 eine andere Altersstufe als heute. Der Terminus „Jugend“ bezeichnete die Altersspanne etwa zwischen 16 bis 25 Jahren, also die Altersstufe Adoleszenz bis junge Erwachsene im heutigen Sprachgebrauch. Man sprach damals von gymnasialer Jugend, studentischer Jugend, akademischer Jugend, Turnerjugend, soldatischer Jugend… Die Altersstufe davor waren die Knaben und Mädchen. Der frühe Wandervogel war also keine Jugendbewegung im heutigen Sinne, sondern eine Bewegung von Adoleszenten und jungen Erwachsenen, die allerdings Jugendliche ab 14-16 Jahren um sich sammelten.
  1. Der frühe Wandervogel war primär keine Reformbewegung und keine Protestbewegung gegen die Erwachsenen, sondern primär eine unpolitische Entdeckungsbewegung der Natur außerhalb der Stadtballungen und eine Wanderbewegung hinaus in die Romantik. Die frühe Wandervogelbewegung benötigte sogar die Hilfen der Erwachsenen. Ohne Erwachsenenhilfe (z.B. einige Lehrer in Steglitz und die Eufrat-Mitglieder) hätte es die Gründung und den Aufbau der Wandervogelbewegung nicht gegeben.

Es ist vielen heute Lebenden schwer, sich die beginnende Fluchtbewegung aus den StadtBallungen ab dem Ende des 19. Jhs. zu vergegenwärtigen. Die Menschen waren vorher in den Siedlungen weitgehend gefangen gewesen. Erst der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte die Erschließung der weiteren Stadtumgebungen und Deutschlands für größere Gruppenreisen. Um 1900 hatte das Eisenbahnnetz eine solche Dichte erreicht, dass man leicht und billig in jede Richtung fahren konnte. Es öffnete für die Wandervogelgruppen die Tore in die weite Welt. Ab den Wandervogelanfängen liest man in Fahrtengberichten, dass man sich an Bahnhöfen traf, mit dem Zug in die Fahrtengegend fuhr und die Fahrten an Bahnhöfen beendete. Es war nicht die Flucht vor dem Zwang der damaligen Erziehung, die den Wandervogel entstehen ließ. Reformfanatiker, damals wie heute, wollen das nur der Wandervogelgeschichte unterschieben.

Um das Selbstverständnis des Wandervogels und seine Motivationen zu verdeutlichen, sollen einige Beiträge aus der Monatsschrift des Einigungsvereins „Wandervogels e.V.“ aus dem Jahr 1913 zitiert werden:

Rudolf Sievers 1 beantwortete die Frage „Was ist der Wandervogel?“ so: Der Wandervogel will laut Satzung „Erstens… das Wandern der deutschen Jugend fördern, den Sinn für das Naturschöne wecken und der Jugend Gelegenheit geben, Land und Leute der deutschen Heimat aus eigener Anschauung kennen zu lernen“…

1

Sievers, Schriftleiter dieser Zeitschrift in einem Artikel, der bewusst als Aussage für die geplante Festschrift des bevorstehenden „Freideutschen Jugendtages“ gemeint war; in: Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, Jahrgang 8, Oktober 1913, Heft 10, S. 278. Etwas dichterischer beschrieb Hans Breuer 2 die Fluchtbewegung der frühen Wandervögel aus den Städten und gleichzeitig die Wandlung vom wilden Vaganten-Wanderstil zum kulturromantischen Stil: „Und sie fluchten ihrer Großstadt, verhöhnten, was noch an Heiligem an ihr klebte. Sie kürten sich Armut, Not und Entbehrungen, stürmten hinaus in wilde Klüfte und Wälder und tagten dort in der Einsamkeit. Das war eine wilde, schöne Zeit… Aber mählich, wie sie reifer wurden, zog’s sie, die bäuerlichen Stuben zu schmecken, durch Gässchen altfränkischer Städtchen zu schweifen, sie sahen den feierlichen Ernst wuchtiger, rundbogiger Münster, die ragenden Dienste gotischer Kathedralen und spürten einen Hauch von ihrem Genius“.

Und der neu gewählte Bundesführer 3 des neu gegründeten Einigungsbundes e.V. warnte im selben Heft vor Reformern auf diesem geplanten Freideutschen Treffen, vor denen man Vorsicht haben müsse. „Aber da kommen aus dieser Jugend selbst einige hervor und raunen und rauschen den anderen heimliche Dinge ins Ohr. Und sagen: Das Wandern und Singen an sich ist gar nichts wert. Wir müssen eine neue Jugendkultur schaffen, darauf kommt alles an… Ich bin auch anderen begegnet, Jünglingen mit schmachtenden Augen, denen war das Herumlaufen mit nackten Beinen und bloßem Kopf und das Tragen langer Haare wichtiger als die ganze Wanderei… Wieder andere habe ich getroffen, die wollten, dass der Wandervogel… sich… mit allen möglichen anderen Verbänden, die auf Lebenserneuerung drängen, zu gemeinsamer Arbeit zusammenschließe,… als ob das nicht der Tod einer Jugendbewegung sein müsste… Unsere Liebe sei Wald und Heide, Berg und Strom. Unser Ruf sei derselbe… Hinaus in die Ferne“.

Und im nächsten Heft 11 antwortete Edmund Neuendorff auf den Antrag von Wandervogelführern, Teilnehmern am gerade zurückliegenden Meißnertreffen, der Meißnererklärung beizutreten: Der Antrag werde der nächsten Bundesversammlung des e.V. vorgelegt, „Aber wir im Wandervogel dürfen nie und nimmer vergessen, dass unsere erste und ernsteste und heiligste Aufgabe sein muss: Förderung des Wanderns und der von selbst aus ihm erblühenden und durch Lebenskräfte notwendig mit ihm verbunden äußeren und inneren Kultur deutscher Jugend.“ 4

Für die Wandervogelbewegung passte zusammenfassend gut die spontane Formulierung von Muck-Lamberty (Friedrich Lamberty, genannt Muck) 1919: „Unsere Fahrt geht ins Blaue…“

Natürlich gab es auch Wandervögel, die froh waren, der damaligen Erziehungswelt und Familienwelt entweichen zu können. Aber das war nicht die primäre Intention der neuen Bewegung. 5 Und es gab auch früh Versuche, diese neue Bewegung zu ideologisieren. Aber es war hauptsächlich die harmlos-naive Ideologie von der Suche nach der blauen Blume, die aus der Romantik übernommen wurde, die man dem Wandervogel überstülpte.

Diese ideologisch naiv-harmlose Wandervogelbewegung war z.B. dem Reformpädagogen Wyneken nicht ernsthaft genug. Er meinte, der Wandervogel habe in Lied und Tanz einen Ausdruck jugendlichen Frohsinns gefunden, sich damit aber auch bereits zufrieden gegeben und habe es sich wohl sein lassen. Die ganze künstlerische Einstellung des Wandervogels sei auf bloßen Stimmungsgenuss gerichtet, und zwar auf einen ziemlich bequemen und billigen Genuss.6

2

Hans Breuer, ehemaliger Bundesführer des Wandervogels D.B., der als größter Teilbund im e.V. aufgegangen war; ebenda S. 283.

3 Edmund Neuendorff, Schulleiter; ebenda S. 302f. 4 Edmund Neuendorff, Wandervogel…, Heft 11, S. 332f. 5

Diesbezüglich sollte man die weitergehenden Behauptungen von Blüher mit Zurückhaltung zur Kenntnis nehmen, denn überall dort, wo er interpretiert, ist große Zurückhaltung geboten.

6

Nach http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/, Artikel zu Gustav Wynneken, 556277#sel=20:1,20:58 II. Die Einladung zum Meißnertreffen

  1. Der Beginn des Vorhabens ist etwa Ostern 1913 zu datieren. Denn damals bekam die Idee von einem alternativen Jahrhundertfest einen wesentlichen Anstoß. Denn auf dem Bundestag der Deutschen Akademischen Freischar (DAF) in Jena machte ein Gast, welcher Mitglied des Deutschen Bundes abstinenter Studenten (DBaSt) war, den Vorschlag eine würdige, insbesondere alkoholfreie, Gedenkveranstaltung zu Ehren der Völkerschlacht bei Leipzig durchzuführen. Dieser Vorschlag wurde in den Reihen der DAF mit Begeisterung aufgenommen und fortan blieb die DAF die treibende Kraft hinter den Vorbereitungen des Ersten Freideutschen Jugendtages. Man nahm anschließend Verbindung zu anderen Bünden und Studentenverbindungen auf, auch zu den damaligen Wandervogelbünden. 7 Der erste historische Anschub zu diesem Alternativtreffen ging also nicht von den Wandervögeln aus, sondern von einer Bundesrichtung, die – durchaus nachvollziehbar – ein Treffen von jungen Erwachsenen und insbesondere von Studenten vorschlug, dass sich nicht in den damaligen Maßstab einordnete, der den deutschen Mann nach seiner Fähigkeit maß, wie viel Alkohol er vertragen konnte. Dieser enge Ideengeber-Kreis suchte nun nach Bünden, die ein solches Treffen mit gestalten würden. Die Mehrzahl der hinzu geworbenen und besonders aktiven Bünde waren kleinere Reformgruppen mit verschiedenen anderen Zielsetzungen, daneben 2 Wandervogelbünde.

Ein erstes Treffen interessierter Bünde zur Vorbereitung eines solchen Treffens fand Pfingsten 1913 in Jena statt. An diesem Treffen nahmen 13 Bünde teil und hier wurden Name, Ort und grober Ablauf des Festes festgelegt. Der Name „Freideutscher Jugendtag“ orientierte sich nach einem Vorschlag des Urwandervogels Friedrich Wilhelm Fulda, dem damaligen Verantwortlichen der Wandervogel-Führerzeitschrift. Den Hohen Meißner als Ort schlug Christian Schneehagen vor, Mitglied der Deutschen Akademischen Freischar und späterer Mitorganisator des Meißnertreffens.8

Der erste Aufruf im Sommer 1913 erschien in der Wandervogel Führerzeitung (Heft 7, 1913) und wurde im Namen der Deutschen Akademischen Freischar von Knud Ahlborn unterschrieben. Der zweite Aufruf erschien kurze Zeit später im Gaublatt „Nordmark“ des Wandervogel e. V. (Heft 4, 1913) und war erstmalig von allen veranstaltenden Bünden unterschrieben. Als Festleitung wurde Christian Schneehagen angegeben.

Folgende Bünde schlossen sich zur Vorbereitung und Einladung zusammen:

Deutsche Akademische Freischar, Deutscher Bund abstinenter Studenten, Deutscher Vortruppbund, Bund deutscher Wanderer, Wandervogel e.V., Jungwandervogel, Österreichischer Wandervogel, Germania – Bund abstinenter Studenten, Freie Schulgemeinde Wickersdorf, Bund für freie Schulgemeinden, Landschulheim am Solling, Akademische Vereinigungen Marburg und Jena, Serakreis Jena, Burschenschaft Vandalia Jena.9

  1. Zum Meißnertreffen 1913 hat es mehrere Einladungen gegeben. 10 Die letzte Einladung zum Meißnertreffen, weitgehend formuliert von Gustav Wyneken, war eine pathetisch-

7

Eng angelehnt an die Mitteilung in http://buendische-vielfalt.de/?p=3353 und http://buendischevielfalt.de/?p=3460, die wiederum als Quelle angeben: Johannes Jacobs (kugel), Was war das – das Meißnerfest 1913?, Kiel 1987, Seite 42-43.

8

http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Freideutscher_Jugendtag#cite_note-1 9

http://buendische-vielfalt.de/?p=933, siehe dort: Was ließen jene… #2 – Aufrufe zum Freideutschen Jugendtag… ; 10

http://www.digam.net/dokument.php?ID=9247&PHPSESSID =54853573ed0494d618a5b774685e474f (=Digitales Archiv Marburg, DigAM); Siehe auch die ausgewählten Quellen im Eisbrecher, http://www.der-eisbrecher.de/cont_files/df_meissner.pdf und; http://buendische-vielfalt.de/?p=3117; http://buendische-vielfalt.de/?p=1450; http://buendische->

vielfalt.de/?p=933 rhetorisch-suggestive Meisterleistung eines Krisen-Manifestes zur angeblichen Situation der deutschen Jugend um 1900.

Formulierungen wie „Die deutsche Jugend steht an einem Wendepunkt…, träge Gewohnheiten der Alten und den Geboten einer hässlichen Konvention,… Wir wollen auch weiter getrennt marschieren, aber in dem Bewusstsein, dass uns ein Grundgefühl zusammen schließt, so dass wir Schulter an Schulter gegen die gemeinsamen Feinde kämpfen,… Möge von ihm eine neue Zeit deutschen Jugendlebens anheben“ suggerieren einen Jugendnotstaat und negieren, dass damals die Erziehung durch Eltern und Schulen in vielen Fällen besser war als die heute häufige Nicht-Erziehung und schlechte Erziehung durch viele Medien. Die damalige Erziehung war zugegeben etwas überbehütet, zu konventionell, aber zu einer allgemeinen Dramatik war kein Anlass. Diese Sorge ist eher für die Gegenwart berechtigt.

  1. Zusammen mit den früheren Aufrufen zu einem Meißnertreffen, jeweils formuliert von Knud Ahlborn, Christian Schneehagen bzw. W. Groothoff, wird die Absicht erkennbar, dass eine Minderheit von Reformern und Reformgruppen mit Hilfe von zahlenmäßig größeren Verbänden, z.B. dem Wandervogel, ihre Reformvorstellungen und Ziele in die Gesellschaft tragen wollte. Der Wandervogel war als zahlenmäßig starke Hilfstruppe geplant, die ideelle Leitung sollte aber bei den Reformern bleiben.

  1. Die Formulierung „Die“ deutsche Jugend… suggeriert, dass hier die gesamte deutsche Jugend angesprochen würde. In Wirklichkeit betraf das nur die Jugend der bürgerlichen Sozialschichten. Die bäuerliche Jugend, damals noch der weitaus größte Anteil, hatte weder Zeit noch Gelegenheit für Freiräume. Die zunehmende Arbeiterjugend hatte andere Sorgen, nämlich die finanzielle schmale Basis und überlange Arbeitszeiten, und war größtenteils in den sozialistischen Jugendorganisationen erfasst. Für obige Reformideen, für pädagogische Freiräume und auch für die notwendige Zeit dazu kam nur die bürgerliche Jugend der mittleren und höheren Sozialschichten in Frage. Diese dürften damals kaum mehr als ca. 10 % der damaligen Gesamtjugend insgesamt umfasst haben.

III. Zu den tragenden Kräften des Meißnertreffens

Das Meißnertreffen 1913 wurde primär geprägt von der DAL, der Deutschen Akademischen Freischar. Diese Bewegung war von dem zu Reformen neigenden Knud Ahlborn und seinem Freund Hans Harbeck 1907 in Göttingen gegründet worden und als eine Weiterführung der Wanderverein-Bewegung im Bund Deutscher Wanderer speziell für die Sozialschicht der Studenten.

Knut Ahlborn hatte in Hamburg 1905 als 17-Jähriger den ersten Wanderverein gegründet. Dieser Hamburger Wanderverein beschrieb sich als „Selbsterziehungsverein höherer Schüler“. Der daraus entstandene Bund Deutscher Wanderer formulierte sein Ziel so: „Vom Wanderer zum Menschen, das ist unsere Erkenntnis und unser Ziel“. Damit war seine Zielsetzung pädagogischer Art und stand in der pädagogischen Tradition, die Goethe in seinem damals viel beachteten Erziehungsroman „Wilhelm Meister“ ausgesprochen hatte, dass nämlich der Mensch nur durch Wandern und Reisen zur inneren Reife gelangen könne.

Die erste Deutsche Akademische Freischar (DAL) in Göttingen hatte bewusst statt der ursprünglich geplanten Bezeichnung „Akademischer Wanderverein“ den kämpferischeren Namen Akademische Freischar gewählt. In der Gründungsurkunde beschrieb man sich als „Kampfbund zur Reform des Deutschen Studententums“. Man verstand sich als Alternative zu den traditionellen Studentenverbindungen und war gegen das studentische Fechten und Trinken und hielt weiterhin am goethischen Ideal der Menschenbildung zum Guten und Schönen fest. 1913 formulierte die Akademischer Freischar eines ihrer Ideale so: „Alle Veranstaltungen der Freischar haben Gesundheit und Schönheit zum obersten Gesetz“. Damit war die Akademische Freischar keine studentische „Roverstufe“ für Wandervögel, sondern eine elitäre und letztlich pädagogisch orientierte Bewegung, die mit dem viel „naiveren“ Wandervogel nur das Wandern, aber nicht die Zielsetzungen gemeinsam hatte.

Es war auch nicht so, dass die älteren Wandervögel automatisch oder hauptsächlich als Studenten in die örtlichen Freischargruppen eintraten. In Heft 4 der Zeitschrift des e.V. Wandervogel… vom April 1913 gab es dazu eine kleine Diskussion in Form von 4 Lesermeinungen. 11 Eine Zuschrift empfahl den Eintritt studierender Wandervögel in die Freischar, weil die Ziele studentischer Verbindungen über die Ziele des Wandervogels hinaus gingen (z.B. Stellungnahmen zu verschiedenen Kulturfragen) und die Wandervogelziele nicht mit solchen studentischen Zielen vermengt werden dürften. Der Schreiber bedauerte gleich-zeitig, dass sich bisher so wenige studierende Wandervögel der Freischar oder vergleich-baren studentischen Korporationen angeschlossen hätten und schlug vor, offiziell für solche Übergänge nach der Schüler-Wandervogelzeit zu werben. „Ich halte es für das beste, die Wandervögel immer wieder auf die Freischar und ähnliche Verbindungen hinzuweisen. Dass sich bis jetzt so wenige angeschlossen haben, mag zum Teil daran liegen, dass diese Verbindungen noch zu neu und unbekannt sind… Dazu kommt, dass er seine Bekannten meistens im Wandervogel hat und nicht in der Freischar.“ 12

Die anderen 3 Leserzuschriften hielten durchaus studentische Wandervogelgruppen als Gruppierung für die älter gewordenen Wandervögel für sinnvoll und verwiesen auf schon bestehende akademische Wandervogelgruppen. Auch die studentische Wandervogelgruppe um Hans Breuer in Heidelberg lebte ihre Wandervogeltradition als weitgehend akademische Gruppierung, die Heidelberger Pachanthey, in Heidelberg weiter.

Knud Ahlborn war zusammen mit einigen anderen Freunden aus der Freischar der Hauptinitiator des Freideutschen Jugendtages auf dem Meißner und der so genannten Meißnerformel, wobei Ideengeber für die Formulierungen vor ihm möglich sind. Knud Ahlborn war von seiner Anlage her ein Mensch, für den Aspekte der Menschenbildung von zentraler Bedeutung waren und der in gewisser Weise lebenslänglich zu Idealisierungen, Reformen und Neugründungen neigte.

Dass sich Knud Ahlborn in Göttingen kurz vor seiner Gründung der Akademischen Freischar der dortigen Altwandervogel-Gruppe angeschlossen hatte, hat nicht die Bedeutung, dass er die Freischar als „Rovergruppe“ des Wandervogels verstand. Wie intensiv er neben seiner Freischargruppe noch Kontakt zu dieser Altwandervogel-Gruppe pflegte, kann nicht gesagt werden. Aber gerade der Altwandervogel hat damals die Teilnahme am Freideutschen Jugendtag abgelehnt. Vielleicht kannte man dort die Sympathien von Knud Ahlborn für Reformer und Reformbünde…

  1. Zum Meißnerfest und der Rolle der Wandervögel

Gegenüber Versuchen der politischen Einflussnahme und Vereinnahmung suchten die Wandervogel-Verantwortlichen meist Neutralität zu wahren. So fand der Erste Freideutsche Jugendtag auf dem Hohen Meißner im Oktober 1913, für den der Wandervogel den Boden bereitet hatte, offiziell ohne seine Beteiligung statt.13

Dass trotz der unsicheren bzw. ablehnenden Haltung der großen Wandervogelbünde doch ca. die Hälfte der Teilnehmer Wandervögel war, lag daran, dass der e.V. kurzfristig keine eigene Parallelveranstaltung wie der Altwandervogel geplant hatte. Viele Gruppen hatte längerfristig die Reise geplant und die Fahrkarten schon gekauft. Ein Teil der Teilnehmer

11

12

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Wandervogel…, Jahrgang 8, April, Heft 4, 1913, S. 119ff. ebenda, Walter Fischer, Berlin… http://de.wikipedia.org/wiki/Wandervogel aus diesem Bund wurde aber bereits auf diesem Treffen vom Charisma der MeißnerErklärung ergriffen.

Der Jungwandervogel, der sich bis zuletzt an der Einladung offiziell beteiligt hatte, äußerte sich nachträglich teilweise spöttisch-kritisch zu all den vielen Idealisten, Sektierern und Reformern. Ein Berichterstatter schrieb: Es „kamen Leute und sagten, der politische Linksliberalismus wolle die Jugend fangen; die Linksliberalen freuten sich und glaubten’s vielleicht selber, und die „Nationalen kamen“, um die Jugend zu „retten“. Und wir, die Jugend – lachten. Kümmerten uns den Teufel um Politik. Gingen mit offenen Augen und Ohren hin zum Meißner-Fest, und hätte uns einer von Politik erzählt, dann wären wir singend von dannen gezogen… Wir haben uns zwar mühsam verschiedener Apostel erwehren müssen, die uns vor ihren Wagen spannen wollten, haben aber auch Männer kennen gelernt, die die Jugend achten und ihr helfen wollen um ihrer selbst willen“14

Und der Komponist des Liedes „Wir wollen zu Land ausfahren…“, Kurt von Burkersroda, ebenfalls Jung-Wandervogel, schrieb nachhinein über das Hahnsteintreffen vorher: „Eine zeitlang ist nur Getümmel und Gesummel. Während dessen macht man Studien. Weiße und blaue Pludermützen,… ausgesprochene Zwiebacknasen, fantastisch-hagere Abstinenzlerund Rohköstlergesichter mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Mancherlei Fähnlein hängen müde hernieder, und ich höre, wie vor mir einer erklärt: Dort sitzen Volkserzieher, die massive Erscheinung da ist Popert, dahinten sitzen die Himbeersaftstudenten, und die Fahne mit dem Rad, das ist das Banner des Serakreises!

In verschiedenen Ecken feiert die Kleiderreform wilde Orgien mit Kitteln in allen Regenbogenfarben. Der E.V. läßt krampfhaft seine Storchnadel sehen, die anscheinend immer größere Formen annimmt. Und über all dem Mischmasch von Loden, Manchester, Bundtuch, Reformhemden, Umhängen und Touristenanzügen ein Meer von erwartungsvollen Augen…15

Wenn auch eine Reihe Wandervogelgruppen nachträglich positiv vom Meißnertreffen 1913 berichtete, so bestand doch ein Teil der Wandervogelteilnehmer hauptsächlich nur aus Neugierigen, Verlegenheitsbesuchern, Lauwarmen, Kritikern und zog recht unbekümmert wieder nach Hause.

„Wenig hat am Ende jene historische Tagung auf dem Hohen Meißner ergeben – nur ein Versprechen, das nie gehalten wurde, und eine Formel, die jedem etwas anderes bedeutete und die auf jeden Fall keine spezielle Jugendformel war. Für die Jungen und Mädchen im Wandervogel mag das nicht sehr von Belang gewesen sein: Lachend hatten sie auf dem Hohen Meißner zugesehen, wie Links und Rechts sich mühten, sie für ihre Zwecke zu mobilisieren“. 16

Und kaum ein Jahr später zogen die Wandervögel voll nationaler Begeisterung in den 1. Weltkrieg und in die Schlacht bei Langemarck, obwohl doch das Meißnertreffen 1913 sich gegen den damaligen Hurra-Patriotismus mit Soldatenfeiern gewandt hatte.

  1. Zur charismatischen Wirkung der so genannten Meißner Formel

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Nach Jung-Wandervogel, Zeitschrift des Bundes für Jugendwandern „Jung-Wandervogel“, 3. Jahrg., Nov./Dez. 1913, Heft 11/12, S. 161; zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock, wobei in dieser Textzusammenstellung eine Fotokopie der betreffenden Zeitschrift-Ausgabe enthalten ist, so dass man auch direkt von dieser Fotokopie zitieren kann.

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Ebenda, s. 161f; ebenfalls zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock.

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Siehe http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/469190 Mitreißende Schlagworte, griffige Formulierungen, eingängige Merksätze machen mehr Geschichte und haben größere Wirkungen als dicke Bücher. Das gilt seit den Anfängen der Geschichte: „Es gibt nur 1 Gott, du sollst nicht andere Götter neben mir haben; Ich weiß, dass ich nichts weiß; Hier stehe ich, ich kann nicht anders; Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen; Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit; Proletarier aller Länder, vereinigt euch; Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“… In die Reihe diese wirkungsträchtigen Formulierungen gehört auch die Meißnerformel. Sie war es, die dem Treffen von 1913 erst Bedeutung und Geschichtlichkeit verschafft hat. Ohne diese „Formel“ würde sich heute kaum noch jemand dieses Treffens erinnern. Sie füllte eine Lücke aus, die damals im soziologischen Raum offen stand.

  1. Die erste Wirkung dieser Erklärung war, dass sie sukzessive den teilnehmenden und auch nicht teilnehmenden Bünden bewusst gemacht hat, dass die damaligen Bewegungen von Adoleszenten und jungen Erwachsenen in irgend einer Form direkt oder indirekt ein Sich-Abgrenzen, ein Protest gegen die damalige Gesellschaft waren oder wurden und dass man Reformen praktizierte, auch wenn man sie bewusst nicht geplant hatte. Diese griffige Erklärung, obwohl inhaltlich ein Allgemeinplatz, der für alle protestierenden Generationen der Geschichte Gültigkeit hat, begann allmählich sogar Pfadfindergruppen in ihren Bann zu ziehen. Und dass besonders die anfangs kritischen Wandervögel das Gedenken an Formel und Treffen von 1913 am Leben erhielten, ist schon ein beachtenswerter charismatischer Erfolg, eigentlich ein kleiner Treppenwitz der Weltgeschichte.
  1. Diese Formel war nicht nur griffig, sie beinhaltete auch Zwang und verlangte unbedingte Geschlossenheit. Die Schlussworte „Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein“ bedeuten eigentlich ein suggestives Einschwören auf diese Formulierung, die die Besucher des Treffens 1913 vorher noch gar nicht gekannt hatten, wobei hinter dem Hinweis auf „innere Freiheit“ auch Ziele von Bünden stehen konnten, die nicht jeder damals und heute akzeptieren möchte.

Man muss sich diesen Vorgang einmal genau vor Augen halten. Da fühlten sich einige Freischärler unter Führung von Knud Ahlborn als Sprachrohr aller Teilnehmer dieses Treffens und fordern entschiedenes Eintreten aller für dasjenige, was sie während einer Wanderung ausformulieret hatten. Das war im Grunde ein gewisser Fraktionszwang, eine Bevormundung.

Wäre diese Meißner-Erklärung in einem demokratischen Formulierungsprozess entstanden, wäre sie real eine Erklärung der damals Versammelten gewesen. So war sie eine Forderung weniger, die aber durch das Charisma ihrer Worte nachträglich immer mehr Bünde hinter sich versammelte.

  1. Diese Formel hat die Wandervögel im Zuge des Wandels des soziologischen Begriffes Jugend erst zu einer Jugendbewegung im Sinne von Nichterwachsenen gemacht. Denn das Wort und der Begriff „Jugend“ sind in der Formel geblieben, der Sinn von Jugend hat sich aber geändert. Das hat längere Zeit die Rolle von Älteren in den bündischen Gruppierungen verunsichert. Erst in der Gegenwart beginnt sich, auch durch den demografischen Wandel, das Selbstverständnis einer großen bündischen Familie über alle Altersstufen hinweg durchzusetzen.

Dass sich diese Erklärung auf Wandervögel und Pfadfinder ausweitete, hängt auch damit zusammen, dass die Leitideen von diesen Bünden nicht soziologisch kritisch und reichhaltig genug sind, um auch für darüber hinaus Interessierte einen Heimatraum zu bieten. Die Wandervogelromantik erschöpft sich irgendwann einmal und die Pfadfindertechniken hat man irgendwann einmal gelernt…

In dieser Formel fand man einen gedanklichen Anstoß für übergeordnete Ideen. Welche vielfältigen Assoziationen eröffnen sich bei den Worten „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung“… Sie motivieren dazu, unbeirrt dem zu folgen, selbstüberzeugt das umzusetzen, was man für richtig hält. Es ist im Grunde ein Freibrief für alternative Ziele und Lebensformen jeglicher Art schon in jungen Jahren.

  1. Vorschlag für einen zurückhaltenderen Umgang mit der Meißnertradition und der Meißnerformel
  1. Charismatische Sätze, Erklärungen, Aussagen, Formeln können initiieren, sammeln und stärken, sie können aber auch negative Wirkungen entfalten, indem sie z.B. historische Zusammenhänge vereinfachen und Pluralismus gefährden.

Zugegeben: Für Bündische, die von der Meißnererklärung 1913 begeistert waren und die teilweise verzückt auf diese Formel starrten, ist es unerheblich, ob ihre Gruppierungen diese Erklärung inhaltlich von Anfang an unterstützten oder erst allmählich in ihren Sog gerieten.

Aber die Sorge vor einer Beeinträchtigung von Pluralismus sollte man etwas ernster nehmen. Die Wandervogelbewegung entwickelte sich bereits kurz nach ihrer Gründung pluralistisch. Pluralismus kann eine Bereicherung sein. Die charismatische Formulierung dieser Meißner-Erklärung und besonders ihre Forderung nach Geschlossenheit hinter ihrer Aussage kann aber Pluralismus beeinträchtigt, indem einmal Bünde, die nicht allen Zielen anderer Bünde zustimmen, in ihrem individuellen Selbstverständnis verunsichert werden und zum anderen, indem Bestrebungen entstehen, unliebsame und nichtkonforme Bünde von dieser beschworenen gemeinsamen Plattform auszuschließen. Deswegen sollte man den Einfluss dieser Erklärung etwas zurück fahren.

Für das 100jährige Gedächtnistreffen im Herbst 2013 könnte das konkret bedeute:

– Dass man auf die Suche nach einer ähnlich charismatischen Erklärung verzichtet und sich höchstens auf eine einfache Aussage beschränkt oder noch besser jedem teilnehmenden Bund eine eigene Erklärung zubilligt.

– Dass man kein gemeinsames Meißnerlager 2013 anstrebt, sondern jedem beteiligten Bund ein eigenes Lager am Meißner zuspricht und nur zu zentralen Veranstaltungen an einem Ort zusammen kommt. Vielleicht kann man sich auch in dieser Form gegenseitig besser ertragen, wenn man nicht für die Freiheit der Ziele der anderen Gruppen eintreten muss.

– Dass man aufgibt, die Welt irgendwie entscheidend zu reformieren und verbessern zu wollen, denn das ist nach allen Erfahrzungen der Geschichte leider nicht möglich. Es ist nur sinnvoll, dass jeder Bund versucht, um sich kleine Inseln des Vernünftigen und Guten zu schaffen, so wie Alexej Stachowitsch das fordert.

Denn das Meißnertreffen von 1913 hat keinen Kult-Charakter für die Wandervogelbewegung gehabt und die Meißnerformel von 1913 war keine Kult-Formel und kein KultAusdruck für die Wandervogelbewegung und ist sie bis heute nicht. Es gibt nur nach dem 2. Weltkrieg zunehmende Strömungen, sie dazu zu machen.

VII. Einige Literaturhinweise

http://buendische-vielfalt.de, z.B. zwölfdreizehnschnipseleien januar 13 und märz 13, hansische Meißnerschnipsel usw. Auf dieser Webseite sind in den letzten Monaten interessante Quellen zum Meißnertreffen 1913 zusammen getragen worden. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.

– Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, verschiedene Hefte des Jahrgangs 1913 – Helwig, Werner, Die blaue Blume des Wandervogels, Deutscher Spurbuchverlag, überarbeitete Neuausgabe, hrsg. Von Walter Sauer, 1998.

– Speiser, Heinz, 1977: Hans Breuer – Wirken und Wirkungen, eine Monografie, Burg Ludwigstein.

– Wurm, Helmut 1990: Vorarbeiten zu einer interdisziplinären Untersuchung über die Körperhöhenverhältnisse der Deutschen im 19. Jahrhundert und der sie beeinflussenden Lebensverhältnisse, 2 Teile. Teil 1: Einleitende Begründung, quellenkundliche Probleme, quellenkundliche Vorarbeiten für die politischen Einzelräume von Norddeutschland bis Württemberg. Teil II: Quellenkundliche Vorarbeiten für Baden, Elsaß-Lothringen, Bayern, das gesamte Deutsche Reich, zusammenfassende Auswertung, ernährungshistorische Hinweise, Schrifttum. in: Gegenbaurs morphologisches Jahrbuch, Bd. 136, S. 405-429 und S. 503-524.

(In dieser Untersuchung waren nur die Wachstumsverhältnisse ab 18 Jahren betrachtet worden. Es wurden die damaligen Messungen an Turnern, Soldaten, Studenten usw. ausgewertet, wobei immer wieder die Klassifikation Turnerjugend, soldatische Jugend, studentische Jugend usw. auffiel)

– Eine Internet-Suche (z. B. in http://de.academic.ru; wikipedia; scout-o-wiki, buendische-vielfalt) zu den Schlagworten „Jugendbewegung, Altwandervogel, Wandervogel e.V., Meißner 1913, Freideutscher Jugendtag, Meißnererklärung 1913, Knud Ahlborn, Gustav Wyneken, akademische Freischar, Bund deutscher Wanderer“ usw. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.

– Siehe auch: Hoher Meissner 1913. Der Erste Freideutsche Jugendtag in Dokumenten, Deutungen und Bildern, hrsg. von Winfried Mogge und Jürgen Reulecke, WochenschauVerlag, 1988, 422. Seiten.

(Verfasst von Helmut Wurm, März 2013. Der Hinweis und der Terminus, dass die so viel zitierte Meissnerformel „keinen Kult-Charakter“… für die Wandervogelbewegung habe, stammt von Alexej Stachowitsch, Axi, der das in einem telefonischen Gespräch mit dem Verfasser über diesen Beitrag ergänzend knapp 1 Woche vor seinem Tod so

Meißnertreffen 1913 – 2013 – Zum Nachdenken

Meißner 2013

Ich nehme den Artikel von Helmut Wurm zum Anlass, vier Gedankengänge und Beobachtungen zu Meißner 1923 bis 2013 zu äußern.

1. Die Meißnerformel, 2. Das Zusammenkommen und Zusammenwirken  3. Die Form des Lagers 2013. 4. Das Extralager 

1.Die Meißnerformel ist eine der wenigen Aussagen aus der Wandervogel- und Reformbewegung, die von allen mit kleinen Abweichungen akzeptiert wird. Heute setzen wir dazu: „Das Leben selbst und in Gemeinschaft zu gestalten.“ Gemeinschaft wurde 1913 in der Formel nicht erwähnt, weil die damals viel selbstverständlicher war, als in unserer egoistisch-kapitalistischen Gesellschaft.

2.Das Zusammenkommen der Bünde, besonders der Wandervogel- und Jungenschaftsbünde war für mich immer ein eindrucksvolles, kreatives und zukunftsgerichtetes Treffen. Das war es auch diesmal. Nur das Zukunftsgerichtete kam zu kurz. Es waren diesmal bei großen Lager kaum Wandervögel dabei. Es gibt auch zur Zeit nur wenige.

3.Das Lager war auf dem Meißner riesig, großartig vorbereitet und strotzte von Aktionen, Happenings, Überraschungen. Ich war in den Jurten des Mindener Kreises sehr gut aufgehoben. Wandervögel waren kaum zu finden. Wieder andere brieten noch ihre Extrawürste. Die Pfadfinder, die Waldjugend und andere waren in der Lage ein Lager aufzuziehen, das Hochachtung verdient. Die große und gut vorbereitete Festveranstaltung hatte leider nur Vorträge, die mich nicht in den Bann zogen und wenig für die Zukunft der Menschen und Jugendlichen in Deutschland bot

3.Die meisten Wandervögel hatten sich in einem kleinen Extralager auf der Hausener Hute abgesondert. Dort fand die Festveranstaltung im Regen statt. Das Feuer wollte nicht brennen. Die Festrede von Ketscha, früher Bundesführer im Wandervogel Deutscher Bund, war die beste der gehaltenen Rede. Ich las sie erst später. Sie war schlecht vorgetragen, kaum zu hören und nicht zu verstehen und für den Regen viel zu lang. Ketscha war seines Alters wegen nicht dabei. Eine junge Frau trug die Rede vor. Und als einige ältere Gäste unaufgefordert das todesmutige Lied vom Rhein und heiligen Vaterland in Gefahren anstimmten, sank unsere Stimmung auf Null, und wir kehrten betroffen zum Ludwigstein zurück und fühlten uns wie Wanderer zwischen zwei Welten. hedo

(Zu Kenntis des Liedes, das von Nazis missbraucht wurde, das 1914 als Kaiser- und Kriegsförderung entstand, und das so nicht mehr singbar ist: Heilig Vaterland! In Gefahren deine Söhne sich um dich scharen. Von Gefahr umringt, heilig Vaterland, alle stehen wir Hand in Hand! 2. Bei den Sternen steht, was wir schwören. Der die Sterne lenkt, wird uns hören. Eh der Fremde dir deine Kronen raubt, Deutschland, fallen wir Haupt bei Haupt! 3. Heilig Vaterland, heb zur Stunde kühn dein Angesicht in die Runde! Sieh uns all entbrannt, Sohn bei Söhnen stehn. Du sollst bleiben, Land, wir vergehn!)

Der folgende Artikel regt zum Denken an, aber entspricht nicht der Meinung der Redaktion

Beitrag zur Entmythologisierung von Meissnertreffen und Meissnerformel

1913 von Puschkin (Helmut Wurm)

  1. (Der derzeit letzte Bearbeitungsstand dieses Kurzbeitrages ist der 8. 4. 013)
  2. Dieser Beitrag ist kein konformer Beitrag zum Chor begeisterten Meißnertreffen-Freunde, sondern ein Querdenker-Beitrag, der manche Sichtweise und Entwicklung hinterfragt. Er möchte begründen, weshalb das Meißnertreffen von 1913 keinen Kult-Charakter für die Wandervögel gehabt hat und weshalb die Meißnerformel von 1913 keine Kult-Formel und kein Kult-Ausdruck für die Wandervogelbewegung war und bis heute ist.
  3. Anfangs einige Begriffs-Richtigstellungen:
  4. Unter Jugend verstand man um 1900 eine andere Altersstufe als heute. Der Terminus „Jugend“ bezeichnete die Altersspanne etwa zwischen 16 bis 25 Jahren, also die Altersstufe Adoleszenz bis junge Erwachsene im heutigen Sprachgebrauch. Man sprach damals von gymnasialer Jugend, studentischer Jugend, akademischer Jugend, Turnerjugend, soldatischer Jugend… Die Altersstufe davor waren die Knaben und Mädchen. Der frühe Wandervogel war also keine Jugendbewegung im heutigen Sinne, sondern eine Bewegung von Adoleszenten und jungen Erwachsenen, die allerdings Jugendliche ab 14-16 Jahren um sich sammelten.
  5. Der frühe Wandervogel war primär keine Reformbewegung und keine Protestbewegung gegen die Erwachsenen, sondern primär eine unpolitische Entdeckungsbewegung der Natur außerhalb der Stadtballungen und eine Wanderbewegung hinaus in die Romantik. Die frühe Wandervogelbewegung benötigte sogar die Hilfen der Erwachsenen. Ohne Erwachsenenhilfe (z.B. einige Lehrer in Steglitz und die Eufrat-Mitglieder) hätte es die Gründung und den Aufbau der Wandervogelbewegung nicht gegeben.
  6. Es ist vielen heute Lebenden schwer, sich die beginnende Fluchtbewegung aus den StadtBallungen ab dem Ende des 19. Jhs. zu vergegenwärtigen. Die Menschen waren vorher in den Siedlungen weitgehend gefangen gewesen. Erst der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte die Erschließung der weiteren Stadtumgebungen und Deutschlands für größere Gruppenreisen. Um 1900 hatte das Eisenbahnnetz eine solche Dichte erreicht, dass man leicht und billig in jede Richtung fahren konnte. Es öffnete für die Wandervogelgruppen die Tore in die weite Welt. Ab den Wandervogelanfängen liest man in Fahrtengberichten, dass man sich an Bahnhöfen traf, mit dem Zug in die Fahrtengegend fuhr und die Fahrten an Bahnhöfen beendete. Es war nicht die Flucht vor dem Zwang der damaligen Erziehung, die den Wandervogel entstehen ließ. Reformfanatiker, damals wie heute, wollen das nur der Wandervogelgeschichte unterschieben.
  7. Um das Selbstverständnis des Wandervogels und seine Motivationen zu verdeutlichen, sollen einige Beiträge aus der Monatsschrift des Einigungsvereins „Wandervogels e.V.“ aus dem Jahr 1913 zitiert werden:
  8. Rudolf Sievers 1 beantwortete die Frage „Was ist der Wandervogel?“ so: Der Wandervogel will laut Satzung „Erstens… das Wandern der deutschen Jugend fördern, den Sinn für das Naturschöne wecken und der Jugend Gelegenheit geben, Land und Leute der deutschen Heimat aus eigener Anschauung kennen zu lernen“…
  9. 1
  10. Sievers, Schriftleiter dieser Zeitschrift in einem Artikel, der bewusst als Aussage für die geplante Festschrift des bevorstehenden „Freideutschen Jugendtages“ gemeint war; in: Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, Jahrgang 8, Oktober 1913, Heft 10, S. 278. Etwas dichterischer beschrieb Hans Breuer 2 die Fluchtbewegung der frühen Wandervögel aus den Städten und gleichzeitig die Wandlung vom wilden Vaganten-Wanderstil zum kulturromantischen Stil: „Und sie fluchten ihrer Großstadt, verhöhnten, was noch an Heiligem an ihr klebte. Sie kürten sich Armut, Not und Entbehrungen, stürmten hinaus in wilde Klüfte und Wälder und tagten dort in der Einsamkeit. Das war eine wilde, schöne Zeit… Aber mählich, wie sie reifer wurden, zog’s sie, die bäuerlichen Stuben zu schmecken, durch Gässchen altfränkischer Städtchen zu schweifen, sie sahen den feierlichen Ernst wuchtiger, rundbogiger Münster, die ragenden Dienste gotischer Kathedralen und spürten einen Hauch von ihrem Genius“.
  11. Und der neu gewählte Bundesführer 3 des neu gegründeten Einigungsbundes e.V. warnte im selben Heft vor Reformern auf diesem geplanten Freideutschen Treffen, vor denen man Vorsicht haben müsse. „Aber da kommen aus dieser Jugend selbst einige hervor und raunen und rauschen den anderen heimliche Dinge ins Ohr. Und sagen: Das Wandern und Singen an sich ist gar nichts wert. Wir müssen eine neue Jugendkultur schaffen, darauf kommt alles an… Ich bin auch anderen begegnet, Jünglingen mit schmachtenden Augen, denen war das Herumlaufen mit nackten Beinen und bloßem Kopf und das Tragen langer Haare wichtiger als die ganze Wanderei… Wieder andere habe ich getroffen, die wollten, dass der Wandervogel… sich… mit allen möglichen anderen Verbänden, die auf Lebenserneuerung drängen, zu gemeinsamer Arbeit zusammenschließe,… als ob das nicht der Tod einer Jugendbewegung sein müsste… Unsere Liebe sei Wald und Heide, Berg und Strom. Unser Ruf sei derselbe… Hinaus in die Ferne“.
  12. Und im nächsten Heft 11 antwortete Edmund Neuendorff auf den Antrag von Wandervogelführern, Teilnehmern am gerade zurückliegenden Meißnertreffen, der Meißnererklärung beizutreten: Der Antrag werde der nächsten Bundesversammlung des e.V. vorgelegt, „Aber wir im Wandervogel dürfen nie und nimmer vergessen, dass unsere erste und ernsteste und heiligste Aufgabe sein muss: Förderung des Wanderns und der von selbst aus ihm erblühenden und durch Lebenskräfte notwendig mit ihm verbunden äußeren und inneren Kultur deutscher Jugend.“ 4
  13. Für die Wandervogelbewegung passte zusammenfassend gut die spontane Formulierung von Muck-Lamberty (Friedrich Lamberty, genannt Muck) 1919: „Unsere Fahrt geht ins Blaue…“
  14. Natürlich gab es auch Wandervögel, die froh waren, der damaligen Erziehungswelt und Familienwelt entweichen zu können. Aber das war nicht die primäre Intention der neuen Bewegung. 5 Und es gab auch früh Versuche, diese neue Bewegung zu ideologisieren. Aber es war hauptsächlich die harmlos-naive Ideologie von der Suche nach der blauen Blume, die aus der Romantik übernommen wurde, die man dem Wandervogel überstülpte.
  15. Diese ideologisch naiv-harmlose Wandervogelbewegung war z.B. dem Reformpädagogen Wyneken nicht ernsthaft genug. Er meinte, der Wandervogel habe in Lied und Tanz einen Ausdruck jugendlichen Frohsinns gefunden, sich damit aber auch bereits zufrieden gegeben und habe es sich wohl sein lassen. Die ganze künstlerische Einstellung des Wandervogels sei auf bloßen Stimmungsgenuss gerichtet, und zwar auf einen ziemlich bequemen und billigen Genuss.6
  16. 2
  17. Hans Breuer, ehemaliger Bundesführer des Wandervogels D.B., der als größter Teilbund im e.V. aufgegangen war; ebenda S. 283.
  18. 3 Edmund Neuendorff, Schulleiter; ebenda S. 302f. 4 Edmund Neuendorff, Wandervogel…, Heft 11, S. 332f. 5
  19. Diesbezüglich sollte man die weitergehenden Behauptungen von Blüher mit Zurückhaltung zur Kenntnis nehmen, denn überall dort, wo er interpretiert, ist große Zurückhaltung geboten.
  20. 6
  21. Nach http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/, Artikel zu Gustav Wynneken, 556277#sel=20:1,20:58 II. Die Einladung zum Meißnertreffen
  22. Der Beginn des Vorhabens ist etwa Ostern 1913 zu datieren. Denn damals bekam die Idee von einem alternativen Jahrhundertfest einen wesentlichen Anstoß. Denn auf dem Bundestag der Deutschen Akademischen Freischar (DAF) in Jena machte ein Gast, welcher Mitglied des Deutschen Bundes abstinenter Studenten (DBaSt) war, den Vorschlag eine würdige, insbesondere alkoholfreie, Gedenkveranstaltung zu Ehren der Völkerschlacht bei Leipzig durchzuführen. Dieser Vorschlag wurde in den Reihen der DAF mit Begeisterung aufgenommen und fortan blieb die DAF die treibende Kraft hinter den Vorbereitungen des Ersten Freideutschen Jugendtages. Man nahm anschließend Verbindung zu anderen Bünden und Studentenverbindungen auf, auch zu den damaligen Wandervogelbünden. 7 Der erste historische Anschub zu diesem Alternativtreffen ging also nicht von den Wandervögeln aus, sondern von einer Bundesrichtung, die – durchaus nachvollziehbar – ein Treffen von jungen Erwachsenen und insbesondere von Studenten vorschlug, dass sich nicht in den damaligen Maßstab einordnete, der den deutschen Mann nach seiner Fähigkeit maß, wie viel Alkohol er vertragen konnte. Dieser enge Ideengeber-Kreis suchte nun nach Bünden, die ein solches Treffen mit gestalten würden. Die Mehrzahl der hinzu geworbenen und besonders aktiven Bünde waren kleinere Reformgruppen mit verschiedenen anderen Zielsetzungen, daneben 2 Wandervogelbünde.
  23. Ein erstes Treffen interessierter Bünde zur Vorbereitung eines solchen Treffens fand Pfingsten 1913 in Jena statt. An diesem Treffen nahmen 13 Bünde teil und hier wurden Name, Ort und grober Ablauf des Festes festgelegt. Der Name „Freideutscher Jugendtag“ orientierte sich nach einem Vorschlag des Urwandervogels Friedrich Wilhelm Fulda, dem damaligen Verantwortlichen der Wandervogel-Führerzeitschrift. Den Hohen Meißner als Ort schlug Christian Schneehagen vor, Mitglied der Deutschen Akademischen Freischar und späterer Mitorganisator des Meißnertreffens.8
  24. Der erste Aufruf im Sommer 1913 erschien in der Wandervogel Führerzeitung (Heft 7, 1913) und wurde im Namen der Deutschen Akademischen Freischar von Knud Ahlborn unterschrieben. Der zweite Aufruf erschien kurze Zeit später im Gaublatt „Nordmark“ des Wandervogel e. V. (Heft 4, 1913) und war erstmalig von allen veranstaltenden Bünden unterschrieben. Als Festleitung wurde Christian Schneehagen angegeben.
  25. Folgende Bünde schlossen sich zur Vorbereitung und Einladung zusammen:
  26. Deutsche Akademische Freischar, Deutscher Bund abstinenter Studenten, Deutscher Vortruppbund, Bund deutscher Wanderer, Wandervogel e.V., Jungwandervogel, Österreichischer Wandervogel, Germania – Bund abstinenter Studenten, Freie Schulgemeinde Wickersdorf, Bund für freie Schulgemeinden, Landschulheim am Solling, Akademische Vereinigungen Marburg und Jena, Serakreis Jena, Burschenschaft Vandalia Jena.9
  27. Zum Meißnertreffen 1913 hat es mehrere Einladungen gegeben. 10 Die letzte Einladung zum Meißnertreffen, weitgehend formuliert von Gustav Wyneken, war eine pathetisch-
  28. 7
  29. Eng angelehnt an die Mitteilung in http://buendische-vielfalt.de/?p=3353 und http://buendischevielfalt.de/?p=3460, die wiederum als Quelle angeben: Johannes Jacobs (kugel), Was war das – das Meißnerfest 1913?, Kiel 1987, Seite 42-43.
  30. 8
  31. http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Freideutscher_Jugendtag#cite_note-1 9
  32. http://buendische-vielfalt.de/?p=933, siehe dort: Was ließen jene… #2 – Aufrufe zum Freideutschen Jugendtag… ; 10
  33. http://www.digam.net/dokument.php?ID=9247&PHPSESSID =54853573ed0494d618a5b774685e474f (=Digitales Archiv Marburg, DigAM); Siehe auch die ausgewählten Quellen im Eisbrecher, http://www.der-eisbrecher.de/cont_files/df_meissner.pdf und; http://buendische-vielfalt.de/?p=3117; http://buendische-vielfalt.de/?p=1450; http://buendische->
  34. de/?p=933 rhetorisch-suggestive Meisterleistung eines Krisen-Manifestes zur angeblichen Situation der deutschen Jugend um 1900.
  35. Formulierungen wie „Die deutsche Jugend steht an einem Wendepunkt…, träge Gewohnheiten der Alten und den Geboten einer hässlichen Konvention,… Wir wollen auch weiter getrennt marschieren, aber in dem Bewusstsein, dass uns ein Grundgefühl zusammen schließt, so dass wir Schulter an Schulter gegen die gemeinsamen Feinde kämpfen,… Möge von ihm eine neue Zeit deutschen Jugendlebens anheben“ suggerieren einen Jugendnotstaat und negieren, dass damals die Erziehung durch Eltern und Schulen in vielen Fällen besser war als die heute häufige Nicht-Erziehung und schlechte Erziehung durch viele Medien. Die damalige Erziehung war zugegeben etwas überbehütet, zu konventionell, aber zu einer allgemeinen Dramatik war kein Anlass. Diese Sorge ist eher für die Gegenwart berechtigt.
  36. Zusammen mit den früheren Aufrufen zu einem Meißnertreffen, jeweils formuliert von Knud Ahlborn, Christian Schneehagen bzw. W. Groothoff, wird die Absicht erkennbar, dass eine Minderheit von Reformern und Reformgruppen mit Hilfe von zahlenmäßig größeren Verbänden, z.B. dem Wandervogel, ihre Reformvorstellungen und Ziele in die Gesellschaft tragen wollte. Der Wandervogel war als zahlenmäßig starke Hilfstruppe geplant, die ideelle Leitung sollte aber bei den Reformern bleiben.
  37. Die Formulierung „Die“ deutsche Jugend… suggeriert, dass hier die gesamte deutsche Jugend angesprochen würde. In Wirklichkeit betraf das nur die Jugend der bürgerlichen Sozialschichten. Die bäuerliche Jugend, damals noch der weitaus größte Anteil, hatte weder Zeit noch Gelegenheit für Freiräume. Die zunehmende Arbeiterjugend hatte andere Sorgen, nämlich die finanzielle schmale Basis und überlange Arbeitszeiten, und war größtenteils in den sozialistischen Jugendorganisationen erfasst. Für obige Reformideen, für pädagogische Freiräume und auch für die notwendige Zeit dazu kam nur die bürgerliche Jugend der mittleren und höheren Sozialschichten in Frage. Diese dürften damals kaum mehr als ca. 10 % der damaligen Gesamtjugend insgesamt umfasst haben.
  38. Zu den tragenden Kräften des Meißnertreffens
  39. Das Meißnertreffen 1913 wurde primär geprägt von der DAL, der Deutschen Akademischen Freischar. Diese Bewegung war von dem zu Reformen neigenden Knud Ahlborn und seinem Freund Hans Harbeck 1907 in Göttingen gegründet worden und als eine Weiterführung der Wanderverein-Bewegung im Bund Deutscher Wanderer speziell für die Sozialschicht der Studenten.
  40. Knut Ahlborn hatte in Hamburg 1905 als 17-Jähriger den ersten Wanderverein gegründet. Dieser Hamburger Wanderverein beschrieb sich als „Selbsterziehungsverein höherer Schüler“. Der daraus entstandene Bund Deutscher Wanderer formulierte sein Ziel so: „Vom Wanderer zum Menschen, das ist unsere Erkenntnis und unser Ziel“. Damit war seine Zielsetzung pädagogischer Art und stand in der pädagogischen Tradition, die Goethe in seinem damals viel beachteten Erziehungsroman „Wilhelm Meister“ ausgesprochen hatte, dass nämlich der Mensch nur durch Wandern und Reisen zur inneren Reife gelangen könne.
  41. Die erste Deutsche Akademische Freischar (DAL) in Göttingen hatte bewusst statt der ursprünglich geplanten Bezeichnung „Akademischer Wanderverein“ den kämpferischeren Namen Akademische Freischar gewählt. In der Gründungsurkunde beschrieb man sich als „Kampfbund zur Reform des Deutschen Studententums“. Man verstand sich als Alternative zu den traditionellen Studentenverbindungen und war gegen das studentische Fechten und Trinken und hielt weiterhin am goethischen Ideal der Menschenbildung zum Guten und Schönen fest. 1913 formulierte die Akademischer Freischar eines ihrer Ideale so: „Alle Veranstaltungen der Freischar haben Gesundheit und Schönheit zum obersten Gesetz“. Damit war die Akademische Freischar keine studentische „Roverstufe“ für Wandervögel, sondern eine elitäre und letztlich pädagogisch orientierte Bewegung, die mit dem viel „naiveren“ Wandervogel nur das Wandern, aber nicht die Zielsetzungen gemeinsam hatte.
  42. Es war auch nicht so, dass die älteren Wandervögel automatisch oder hauptsächlich als Studenten in die örtlichen Freischargruppen eintraten. In Heft 4 der Zeitschrift des e.V. Wandervogel… vom April 1913 gab es dazu eine kleine Diskussion in Form von 4 Lesermeinungen. 11 Eine Zuschrift empfahl den Eintritt studierender Wandervögel in die Freischar, weil die Ziele studentischer Verbindungen über die Ziele des Wandervogels hinaus gingen (z.B. Stellungnahmen zu verschiedenen Kulturfragen) und die Wandervogelziele nicht mit solchen studentischen Zielen vermengt werden dürften. Der Schreiber bedauerte gleich-zeitig, dass sich bisher so wenige studierende Wandervögel der Freischar oder vergleich-baren studentischen Korporationen angeschlossen hätten und schlug vor, offiziell für solche Übergänge nach der Schüler-Wandervogelzeit zu werben. „Ich halte es für das beste, die Wandervögel immer wieder auf die Freischar und ähnliche Verbindungen hinzuweisen. Dass sich bis jetzt so wenige angeschlossen haben, mag zum Teil daran liegen, dass diese Verbindungen noch zu neu und unbekannt sind… Dazu kommt, dass er seine Bekannten meistens im Wandervogel hat und nicht in der Freischar.“ 12
  43. Die anderen 3 Leserzuschriften hielten durchaus studentische Wandervogelgruppen als Gruppierung für die älter gewordenen Wandervögel für sinnvoll und verwiesen auf schon bestehende akademische Wandervogelgruppen. Auch die studentische Wandervogelgruppe um Hans Breuer in Heidelberg lebte ihre Wandervogeltradition als weitgehend akademische Gruppierung, die Heidelberger Pachanthey, in Heidelberg weiter.
  44. Knud Ahlborn war zusammen mit einigen anderen Freunden aus der Freischar der Hauptinitiator des Freideutschen Jugendtages auf dem Meißner und der so genannten Meißnerformel, wobei Ideengeber für die Formulierungen vor ihm möglich sind. Knud Ahlborn war von seiner Anlage her ein Mensch, für den Aspekte der Menschenbildung von zentraler Bedeutung waren und der in gewisser Weise lebenslänglich zu Idealisierungen, Reformen und Neugründungen neigte.
  45. Dass sich Knud Ahlborn in Göttingen kurz vor seiner Gründung der Akademischen Freischar der dortigen Altwandervogel-Gruppe angeschlossen hatte, hat nicht die Bedeutung, dass er die Freischar als „Rovergruppe“ des Wandervogels verstand. Wie intensiv er neben seiner Freischargruppe noch Kontakt zu dieser Altwandervogel-Gruppe pflegte, kann nicht gesagt werden. Aber gerade der Altwandervogel hat damals die Teilnahme am Freideutschen Jugendtag abgelehnt. Vielleicht kannte man dort die Sympathien von Knud Ahlborn für Reformer und Reformbünde…
  46. Zum Meißnerfest und der Rolle der Wandervögel
  47. Gegenüber Versuchen der politischen Einflussnahme und Vereinnahmung suchten die Wandervogel-Verantwortlichen meist Neutralität zu wahren. So fand der Erste Freideutsche Jugendtag auf dem Hohen Meißner im Oktober 1913, für den der Wandervogel den Boden bereitet hatte, offiziell ohne seine Beteiligung statt.13
  48. Dass trotz der unsicheren bzw. ablehnenden Haltung der großen Wandervogelbünde doch ca. die Hälfte der Teilnehmer Wandervögel war, lag daran, dass der e.V. kurzfristig keine eigene Parallelveranstaltung wie der Altwandervogel geplant hatte. Viele Gruppen hatte längerfristig die Reise geplant und die Fahrkarten schon gekauft. Ein Teil der Teilnehmer
  49. 11
  50. 12
  51. 13
  52. Wandervogel…, Jahrgang 8, April, Heft 4, 1913, S. 119ff. ebenda, Walter Fischer, Berlin… http://de.wikipedia.org/wiki/Wandervogel aus diesem Bund wurde aber bereits auf diesem Treffen vom Charisma der MeißnerErklärung ergriffen.
  53. Der Jungwandervogel, der sich bis zuletzt an der Einladung offiziell beteiligt hatte, äußerte sich nachträglich teilweise spöttisch-kritisch zu all den vielen Idealisten, Sektierern und Reformern. Ein Berichterstatter schrieb: Es „kamen Leute und sagten, der politische Linksliberalismus wolle die Jugend fangen; die Linksliberalen freuten sich und glaubten’s vielleicht selber, und die „Nationalen kamen“, um die Jugend zu „retten“. Und wir, die Jugend – lachten. Kümmerten uns den Teufel um Politik. Gingen mit offenen Augen und Ohren hin zum Meißner-Fest, und hätte uns einer von Politik erzählt, dann wären wir singend von dannen gezogen… Wir haben uns zwar mühsam verschiedener Apostel erwehren müssen, die uns vor ihren Wagen spannen wollten, haben aber auch Männer kennen gelernt, die die Jugend achten und ihr helfen wollen um ihrer selbst willen“14
  54. Und der Komponist des Liedes „Wir wollen zu Land ausfahren…“, Kurt von Burkersroda, ebenfalls Jung-Wandervogel, schrieb nachhinein über das Hahnsteintreffen vorher: „Eine zeitlang ist nur Getümmel und Gesummel. Während dessen macht man Studien. Weiße und blaue Pludermützen,… ausgesprochene Zwiebacknasen, fantastisch-hagere Abstinenzlerund Rohköstlergesichter mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Mancherlei Fähnlein hängen müde hernieder, und ich höre, wie vor mir einer erklärt: Dort sitzen Volkserzieher, die massive Erscheinung da ist Popert, dahinten sitzen die Himbeersaftstudenten, und die Fahne mit dem Rad, das ist das Banner des Serakreises!
  55. In verschiedenen Ecken feiert die Kleiderreform wilde Orgien mit Kitteln in allen Regenbogenfarben. Der E.V. läßt krampfhaft seine Storchnadel sehen, die anscheinend immer größere Formen annimmt. Und über all dem Mischmasch von Loden, Manchester, Bundtuch, Reformhemden, Umhängen und Touristenanzügen ein Meer von erwartungsvollen Augen…15
  56. Wenn auch eine Reihe Wandervogelgruppen nachträglich positiv vom Meißnertreffen 1913 berichtete, so bestand doch ein Teil der Wandervogelteilnehmer hauptsächlich nur aus Neugierigen, Verlegenheitsbesuchern, Lauwarmen, Kritikern und zog recht unbekümmert wieder nach Hause.
  57. „Wenig hat am Ende jene historische Tagung auf dem Hohen Meißner ergeben – nur ein Versprechen, das nie gehalten wurde, und eine Formel, die jedem etwas anderes bedeutete und die auf jeden Fall keine spezielle Jugendformel war. Für die Jungen und Mädchen im Wandervogel mag das nicht sehr von Belang gewesen sein: Lachend hatten sie auf dem Hohen Meißner zugesehen, wie Links und Rechts sich mühten, sie für ihre Zwecke zu mobilisieren“. 16
  58. Und kaum ein Jahr später zogen die Wandervögel voll nationaler Begeisterung in den 1. Weltkrieg und in die Schlacht bei Langemarck, obwohl doch das Meißnertreffen 1913 sich gegen den damaligen Hurra-Patriotismus mit Soldatenfeiern gewandt hatte.
  59. Zur charismatischen Wirkung der so genannten Meißner Formel
  60. 14
  61. Nach Jung-Wandervogel, Zeitschrift des Bundes für Jugendwandern „Jung-Wandervogel“, 3. Jahrg., Nov./Dez. 1913, Heft 11/12, S. 161; zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock, wobei in dieser Textzusammenstellung eine Fotokopie der betreffenden Zeitschrift-Ausgabe enthalten ist, so dass man auch direkt von dieser Fotokopie zitieren kann.
  62. 15
  63. Ebenda, s. 161f; ebenfalls zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock.
  64. 16
  65. Siehe http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/469190 Mitreißende Schlagworte, griffige Formulierungen, eingängige Merksätze machen mehr Geschichte und haben größere Wirkungen als dicke Bücher. Das gilt seit den Anfängen der Geschichte: „Es gibt nur 1 Gott, du sollst nicht andere Götter neben mir haben; Ich weiß, dass ich nichts weiß; Hier stehe ich, ich kann nicht anders; Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen; Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit; Proletarier aller Länder, vereinigt euch; Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“… In die Reihe diese wirkungsträchtigen Formulierungen gehört auch die Meißnerformel. Sie war es, die dem Treffen von 1913 erst Bedeutung und Geschichtlichkeit verschafft hat. Ohne diese „Formel“ würde sich heute kaum noch jemand dieses Treffens erinnern. Sie füllte eine Lücke aus, die damals im soziologischen Raum offen stand.
  66. Die erste Wirkung dieser Erklärung war, dass sie sukzessive den teilnehmenden und auch nicht teilnehmenden Bünden bewusst gemacht hat, dass die damaligen Bewegungen von Adoleszenten und jungen Erwachsenen in irgend einer Form direkt oder indirekt ein Sich-Abgrenzen, ein Protest gegen die damalige Gesellschaft waren oder wurden und dass man Reformen praktizierte, auch wenn man sie bewusst nicht geplant hatte. Diese griffige Erklärung, obwohl inhaltlich ein Allgemeinplatz, der für alle protestierenden Generationen der Geschichte Gültigkeit hat, begann allmählich sogar Pfadfindergruppen in ihren Bann zu ziehen. Und dass besonders die anfangs kritischen Wandervögel das Gedenken an Formel und Treffen von 1913 am Leben erhielten, ist schon ein beachtenswerter charismatischer Erfolg, eigentlich ein kleiner Treppenwitz der Weltgeschichte.
  67. Diese Formel war nicht nur griffig, sie beinhaltete auch Zwang und verlangte unbedingte Geschlossenheit. Die Schlussworte „Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein“ bedeuten eigentlich ein suggestives Einschwören auf diese Formulierung, die die Besucher des Treffens 1913 vorher noch gar nicht gekannt hatten, wobei hinter dem Hinweis auf „innere Freiheit“ auch Ziele von Bünden stehen konnten, die nicht jeder damals und heute akzeptieren möchte.
  68. Man muss sich diesen Vorgang einmal genau vor Augen halten. Da fühlten sich einige Freischärler unter Führung von Knud Ahlborn als Sprachrohr aller Teilnehmer dieses Treffens und fordern entschiedenes Eintreten aller für dasjenige, was sie während einer Wanderung ausformulieret hatten. Das war im Grunde ein gewisser Fraktionszwang, eine Bevormundung.
  69. Wäre diese Meißner-Erklärung in einem demokratischen Formulierungsprozess entstanden, wäre sie real eine Erklärung der damals Versammelten gewesen. So war sie eine Forderung weniger, die aber durch das Charisma ihrer Worte nachträglich immer mehr Bünde hinter sich versammelte.
  70. Diese Formel hat die Wandervögel im Zuge des Wandels des soziologischen Begriffes Jugend erst zu einer Jugendbewegung im Sinne von Nichterwachsenen gemacht. Denn das Wort und der Begriff „Jugend“ sind in der Formel geblieben, der Sinn von Jugend hat sich aber geändert. Das hat längere Zeit die Rolle von Älteren in den bündischen Gruppierungen verunsichert. Erst in der Gegenwart beginnt sich, auch durch den demografischen Wandel, das Selbstverständnis einer großen bündischen Familie über alle Altersstufen hinweg durchzusetzen.
  71. Dass sich diese Erklärung auf Wandervögel und Pfadfinder ausweitete, hängt auch damit zusammen, dass die Leitideen von diesen Bünden nicht soziologisch kritisch und reichhaltig genug sind, um auch für darüber hinaus Interessierte einen Heimatraum zu bieten. Die Wandervogelromantik erschöpft sich irgendwann einmal und die Pfadfindertechniken hat man irgendwann einmal gelernt…
  72. In dieser Formel fand man einen gedanklichen Anstoß für übergeordnete Ideen. Welche vielfältigen Assoziationen eröffnen sich bei den Worten „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung“… Sie motivieren dazu, unbeirrt dem zu folgen, selbstüberzeugt das umzusetzen, was man für richtig hält. Es ist im Grunde ein Freibrief für alternative Ziele und Lebensformen jeglicher Art schon in jungen Jahren.
  73. Vorschlag für einen zurückhaltenderen Umgang mit der Meißnertradition und der Meißnerformel
  74. Charismatische Sätze, Erklärungen, Aussagen, Formeln können initiieren, sammeln und stärken, sie können aber auch negative Wirkungen entfalten, indem sie z.B. historische Zusammenhänge vereinfachen und Pluralismus gefährden.
  75. Zugegeben: Für Bündische, die von der Meißnererklärung 1913 begeistert waren und die teilweise verzückt auf diese Formel starrten, ist es unerheblich, ob ihre Gruppierungen diese Erklärung inhaltlich von Anfang an unterstützten oder erst allmählich in ihren Sog gerieten.
  76. Aber die Sorge vor einer Beeinträchtigung von Pluralismus sollte man etwas ernster nehmen. Die Wandervogelbewegung entwickelte sich bereits kurz nach ihrer Gründung pluralistisch. Pluralismus kann eine Bereicherung sein. Die charismatische Formulierung dieser Meißner-Erklärung und besonders ihre Forderung nach Geschlossenheit hinter ihrer Aussage kann aber Pluralismus beeinträchtigt, indem einmal Bünde, die nicht allen Zielen anderer Bünde zustimmen, in ihrem individuellen Selbstverständnis verunsichert werden und zum anderen, indem Bestrebungen entstehen, unliebsame und nichtkonforme Bünde von dieser beschworenen gemeinsamen Plattform auszuschließen. Deswegen sollte man den Einfluss dieser Erklärung etwas zurück fahren.
  77. Für das 100jährige Gedächtnistreffen im Herbst 2013 könnte das konkret bedeute:
  78. – Dass man auf die Suche nach einer ähnlich charismatischen Erklärung verzichtet und sich höchstens auf eine einfache Aussage beschränkt oder noch besser jedem teilnehmenden Bund eine eigene Erklärung zubilligt.
  79. – Dass man kein gemeinsames Meißnerlager 2013 anstrebt, sondern jedem beteiligten Bund ein eigenes Lager am Meißner zuspricht und nur zu zentralen Veranstaltungen an einem Ort zusammen kommt. Vielleicht kann man sich auch in dieser Form gegenseitig besser ertragen, wenn man nicht für die Freiheit der Ziele der anderen Gruppen eintreten muss.
  80. – Dass man aufgibt, die Welt irgendwie entscheidend zu reformieren und verbessern zu wollen, denn das ist nach allen Erfahrzungen der Geschichte leider nicht möglich. Es ist nur sinnvoll, dass jeder Bund versucht, um sich kleine Inseln des Vernünftigen und Guten zu schaffen, so wie Alexej Stachowitsch das fordert.
  81. Denn das Meißnertreffen von 1913 hat keinen Kult-Charakter für die Wandervogelbewegung gehabt und die Meißnerformel von 1913 war keine Kult-Formel und kein KultAusdruck für die Wandervogelbewegung und ist sie bis heute nicht. Es gibt nur nach dem 2. Weltkrieg zunehmende Strömungen, sie dazu zu machen.
  82. Einige Literaturhinweise
  83. http://buendische-vielfalt.de, z.B. zwölfdreizehnschnipseleien januar 13 und märz 13, hansische Meißnerschnipsel usw. Auf dieser Webseite sind in den letzten Monaten interessante Quellen zum Meißnertreffen 1913 zusammen getragen worden. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.
  84. – Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, verschiedene Hefte des Jahrgangs 1913 – Helwig, Werner, Die blaue Blume des Wandervogels, Deutscher Spurbuchverlag, überarbeitete Neuausgabe, hrsg. Von Walter Sauer, 1998.
  85. – Speiser, Heinz, 1977: Hans Breuer – Wirken und Wirkungen, eine Monografie, Burg Ludwigstein.
  86. – Wurm, Helmut 1990: Vorarbeiten zu einer interdisziplinären Untersuchung über die Körperhöhenverhältnisse der Deutschen im 19. Jahrhundert und der sie beeinflussenden Lebensverhältnisse, 2 Teile. Teil 1: Einleitende Begründung, quellenkundliche Probleme, quellenkundliche Vorarbeiten für die politischen Einzelräume von Norddeutschland bis Württemberg. Teil II: Quellenkundliche Vorarbeiten für Baden, Elsaß-Lothringen, Bayern, das gesamte Deutsche Reich, zusammenfassende Auswertung, ernährungshistorische Hinweise, Schrifttum. in: Gegenbaurs morphologisches Jahrbuch, Bd. 136, S. 405-429 und S. 503-524.
  87. (In dieser Untersuchung waren nur die Wachstumsverhältnisse ab 18 Jahren betrachtet worden. Es wurden die damaligen Messungen an Turnern, Soldaten, Studenten usw. ausgewertet, wobei immer wieder die Klassifikation Turnerjugend, soldatische Jugend, studentische Jugend usw. auffiel)
  88. – Eine Internet-Suche (z. B. in http://de.academic.ru; wikipedia; scout-o-wiki, buendische-vielfalt) zu den Schlagworten „Jugendbewegung, Altwandervogel, Wandervogel e.V., Meißner 1913, Freideutscher Jugendtag, Meißnererklärung 1913, Knud Ahlborn, Gustav Wyneken, akademische Freischar, Bund deutscher Wanderer“ usw. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.
  89. – Siehe auch: Hoher Meissner 1913. Der Erste Freideutsche Jugendtag in Dokumenten, Deutungen und Bildern, hrsg. von Winfried Mogge und Jürgen Reulecke, WochenschauVerlag, 1988, 422. Seiten.
  90. (Verfasst von Helmut Wurm, März 2013. Der Hinweis und der Terminus, dass die so viel zitierte Meissnerformel „keinen Kult-Charakter“… für die Wandervogelbewegung habe, stammt von Alexej Stachowitsch, Axi, der das in einem telefonischen Gespräch mit dem Verfasser über diesen Beitrag ergänzend knapp 1 Woche vor seinem Tod so formulierte. )erdint.

Beitrag zur Entmythologisierung von Meissnertreffen und Meissnerformel

1913

(Der derzeit letzte Bearbeitungsstand dieses Kurzbeitrages ist der 8. 4. 013)

Dieser Beitrag ist kein konformer Beitrag zum Chor begeisterten Meißnertreffen-Freunde, sondern ein Querdenker-Beitrag, der manche Sichtweise und Entwicklung hinterfragt. Er möchte begründen, weshalb das Meißnertreffen von 1913 keinen Kult-Charakter für die Wandervögel gehabt hat und weshalb die Meißnerformel von 1913 keine Kult-Formel und kein Kult-Ausdruck für die Wandervogelbewegung war und bis heute ist.

  1. Anfangs einige Begriffs-Richtigstellungen:
  1. Unter Jugend verstand man um 1900 eine andere Altersstufe als heute. Der Terminus „Jugend“ bezeichnete die Altersspanne etwa zwischen 16 bis 25 Jahren, also die Altersstufe Adoleszenz bis junge Erwachsene im heutigen Sprachgebrauch. Man sprach damals von gymnasialer Jugend, studentischer Jugend, akademischer Jugend, Turnerjugend, soldatischer Jugend… Die Altersstufe davor waren die Knaben und Mädchen. Der frühe Wandervogel war also keine Jugendbewegung im heutigen Sinne, sondern eine Bewegung von Adoleszenten und jungen Erwachsenen, die allerdings Jugendliche ab 14-16 Jahren um sich sammelten.
  1. Der frühe Wandervogel war primär keine Reformbewegung und keine Protestbewegung gegen die Erwachsenen, sondern primär eine unpolitische Entdeckungsbewegung der Natur außerhalb der Stadtballungen und eine Wanderbewegung hinaus in die Romantik. Die frühe Wandervogelbewegung benötigte sogar die Hilfen der Erwachsenen. Ohne Erwachsenenhilfe (z.B. einige Lehrer in Steglitz und die Eufrat-Mitglieder) hätte es die Gründung und den Aufbau der Wandervogelbewegung nicht gegeben.

Es ist vielen heute Lebenden schwer, sich die beginnende Fluchtbewegung aus den StadtBallungen ab dem Ende des 19. Jhs. zu vergegenwärtigen. Die Menschen waren vorher in den Siedlungen weitgehend gefangen gewesen. Erst der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte die Erschließung der weiteren Stadtumgebungen und Deutschlands für größere Gruppenreisen. Um 1900 hatte das Eisenbahnnetz eine solche Dichte erreicht, dass man leicht und billig in jede Richtung fahren konnte. Es öffnete für die Wandervogelgruppen die Tore in die weite Welt. Ab den Wandervogelanfängen liest man in Fahrtengberichten, dass man sich an Bahnhöfen traf, mit dem Zug in die Fahrtengegend fuhr und die Fahrten an Bahnhöfen beendete. Es war nicht die Flucht vor dem Zwang der damaligen Erziehung, die den Wandervogel entstehen ließ. Reformfanatiker, damals wie heute, wollen das nur der Wandervogelgeschichte unterschieben.

Um das Selbstverständnis des Wandervogels und seine Motivationen zu verdeutlichen, sollen einige Beiträge aus der Monatsschrift des Einigungsvereins „Wandervogels e.V.“ aus dem Jahr 1913 zitiert werden:

Rudolf Sievers 1 beantwortete die Frage „Was ist der Wandervogel?“ so: Der Wandervogel will laut Satzung „Erstens… das Wandern der deutschen Jugend fördern, den Sinn für das Naturschöne wecken und der Jugend Gelegenheit geben, Land und Leute der deutschen Heimat aus eigener Anschauung kennen zu lernen“…

1

Sievers, Schriftleiter dieser Zeitschrift in einem Artikel, der bewusst als Aussage für die geplante Festschrift des bevorstehenden „Freideutschen Jugendtages“ gemeint war; in: Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, Jahrgang 8, Oktober 1913, Heft 10, S. 278. Etwas dichterischer beschrieb Hans Breuer 2 die Fluchtbewegung der frühen Wandervögel aus den Städten und gleichzeitig die Wandlung vom wilden Vaganten-Wanderstil zum kulturromantischen Stil: „Und sie fluchten ihrer Großstadt, verhöhnten, was noch an Heiligem an ihr klebte. Sie kürten sich Armut, Not und Entbehrungen, stürmten hinaus in wilde Klüfte und Wälder und tagten dort in der Einsamkeit. Das war eine wilde, schöne Zeit… Aber mählich, wie sie reifer wurden, zog’s sie, die bäuerlichen Stuben zu schmecken, durch Gässchen altfränkischer Städtchen zu schweifen, sie sahen den feierlichen Ernst wuchtiger, rundbogiger Münster, die ragenden Dienste gotischer Kathedralen und spürten einen Hauch von ihrem Genius“.

Und der neu gewählte Bundesführer 3 des neu gegründeten Einigungsbundes e.V. warnte im selben Heft vor Reformern auf diesem geplanten Freideutschen Treffen, vor denen man Vorsicht haben müsse. „Aber da kommen aus dieser Jugend selbst einige hervor und raunen und rauschen den anderen heimliche Dinge ins Ohr. Und sagen: Das Wandern und Singen an sich ist gar nichts wert. Wir müssen eine neue Jugendkultur schaffen, darauf kommt alles an… Ich bin auch anderen begegnet, Jünglingen mit schmachtenden Augen, denen war das Herumlaufen mit nackten Beinen und bloßem Kopf und das Tragen langer Haare wichtiger als die ganze Wanderei… Wieder andere habe ich getroffen, die wollten, dass der Wandervogel… sich… mit allen möglichen anderen Verbänden, die auf Lebenserneuerung drängen, zu gemeinsamer Arbeit zusammenschließe,… als ob das nicht der Tod einer Jugendbewegung sein müsste… Unsere Liebe sei Wald und Heide, Berg und Strom. Unser Ruf sei derselbe… Hinaus in die Ferne“.

Und im nächsten Heft 11 antwortete Edmund Neuendorff auf den Antrag von Wandervogelführern, Teilnehmern am gerade zurückliegenden Meißnertreffen, der Meißnererklärung beizutreten: Der Antrag werde der nächsten Bundesversammlung des e.V. vorgelegt, „Aber wir im Wandervogel dürfen nie und nimmer vergessen, dass unsere erste und ernsteste und heiligste Aufgabe sein muss: Förderung des Wanderns und der von selbst aus ihm erblühenden und durch Lebenskräfte notwendig mit ihm verbunden äußeren und inneren Kultur deutscher Jugend.“ 4

Für die Wandervogelbewegung passte zusammenfassend gut die spontane Formulierung von Muck-Lamberty (Friedrich Lamberty, genannt Muck) 1919: „Unsere Fahrt geht ins Blaue…“

Natürlich gab es auch Wandervögel, die froh waren, der damaligen Erziehungswelt und Familienwelt entweichen zu können. Aber das war nicht die primäre Intention der neuen Bewegung. 5 Und es gab auch früh Versuche, diese neue Bewegung zu ideologisieren. Aber es war hauptsächlich die harmlos-naive Ideologie von der Suche nach der blauen Blume, die aus der Romantik übernommen wurde, die man dem Wandervogel überstülpte.

Diese ideologisch naiv-harmlose Wandervogelbewegung war z.B. dem Reformpädagogen Wyneken nicht ernsthaft genug. Er meinte, der Wandervogel habe in Lied und Tanz einen Ausdruck jugendlichen Frohsinns gefunden, sich damit aber auch bereits zufrieden gegeben und habe es sich wohl sein lassen. Die ganze künstlerische Einstellung des Wandervogels sei auf bloßen Stimmungsgenuss gerichtet, und zwar auf einen ziemlich bequemen und billigen Genuss.6

2

Hans Breuer, ehemaliger Bundesführer des Wandervogels D.B., der als größter Teilbund im e.V. aufgegangen war; ebenda S. 283.

3 Edmund Neuendorff, Schulleiter; ebenda S. 302f. 4 Edmund Neuendorff, Wandervogel…, Heft 11, S. 332f. 5

Diesbezüglich sollte man die weitergehenden Behauptungen von Blüher mit Zurückhaltung zur Kenntnis nehmen, denn überall dort, wo er interpretiert, ist große Zurückhaltung geboten.

6

Nach http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/, Artikel zu Gustav Wynneken, 556277#sel=20:1,20:58 II. Die Einladung zum Meißnertreffen

  1. Der Beginn des Vorhabens ist etwa Ostern 1913 zu datieren. Denn damals bekam die Idee von einem alternativen Jahrhundertfest einen wesentlichen Anstoß. Denn auf dem Bundestag der Deutschen Akademischen Freischar (DAF) in Jena machte ein Gast, welcher Mitglied des Deutschen Bundes abstinenter Studenten (DBaSt) war, den Vorschlag eine würdige, insbesondere alkoholfreie, Gedenkveranstaltung zu Ehren der Völkerschlacht bei Leipzig durchzuführen. Dieser Vorschlag wurde in den Reihen der DAF mit Begeisterung aufgenommen und fortan blieb die DAF die treibende Kraft hinter den Vorbereitungen des Ersten Freideutschen Jugendtages. Man nahm anschließend Verbindung zu anderen Bünden und Studentenverbindungen auf, auch zu den damaligen Wandervogelbünden. 7 Der erste historische Anschub zu diesem Alternativtreffen ging also nicht von den Wandervögeln aus, sondern von einer Bundesrichtung, die – durchaus nachvollziehbar – ein Treffen von jungen Erwachsenen und insbesondere von Studenten vorschlug, dass sich nicht in den damaligen Maßstab einordnete, der den deutschen Mann nach seiner Fähigkeit maß, wie viel Alkohol er vertragen konnte. Dieser enge Ideengeber-Kreis suchte nun nach Bünden, die ein solches Treffen mit gestalten würden. Die Mehrzahl der hinzu geworbenen und besonders aktiven Bünde waren kleinere Reformgruppen mit verschiedenen anderen Zielsetzungen, daneben 2 Wandervogelbünde.

Ein erstes Treffen interessierter Bünde zur Vorbereitung eines solchen Treffens fand Pfingsten 1913 in Jena statt. An diesem Treffen nahmen 13 Bünde teil und hier wurden Name, Ort und grober Ablauf des Festes festgelegt. Der Name „Freideutscher Jugendtag“ orientierte sich nach einem Vorschlag des Urwandervogels Friedrich Wilhelm Fulda, dem damaligen Verantwortlichen der Wandervogel-Führerzeitschrift. Den Hohen Meißner als Ort schlug Christian Schneehagen vor, Mitglied der Deutschen Akademischen Freischar und späterer Mitorganisator des Meißnertreffens.8

Der erste Aufruf im Sommer 1913 erschien in der Wandervogel Führerzeitung (Heft 7, 1913) und wurde im Namen der Deutschen Akademischen Freischar von Knud Ahlborn unterschrieben. Der zweite Aufruf erschien kurze Zeit später im Gaublatt „Nordmark“ des Wandervogel e. V. (Heft 4, 1913) und war erstmalig von allen veranstaltenden Bünden unterschrieben. Als Festleitung wurde Christian Schneehagen angegeben.

Folgende Bünde schlossen sich zur Vorbereitung und Einladung zusammen:

Deutsche Akademische Freischar, Deutscher Bund abstinenter Studenten, Deutscher Vortruppbund, Bund deutscher Wanderer, Wandervogel e.V., Jungwandervogel, Österreichischer Wandervogel, Germania – Bund abstinenter Studenten, Freie Schulgemeinde Wickersdorf, Bund für freie Schulgemeinden, Landschulheim am Solling, Akademische Vereinigungen Marburg und Jena, Serakreis Jena, Burschenschaft Vandalia Jena.9

  1. Zum Meißnertreffen 1913 hat es mehrere Einladungen gegeben. 10 Die letzte Einladung zum Meißnertreffen, weitgehend formuliert von Gustav Wyneken, war eine pathetisch-

7

Eng angelehnt an die Mitteilung in http://buendische-vielfalt.de/?p=3353 und http://buendischevielfalt.de/?p=3460, die wiederum als Quelle angeben: Johannes Jacobs (kugel), Was war das – das Meißnerfest 1913?, Kiel 1987, Seite 42-43.

8

http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Freideutscher_Jugendtag#cite_note-1 9

http://buendische-vielfalt.de/?p=933, siehe dort: Was ließen jene… #2 – Aufrufe zum Freideutschen Jugendtag… ; 10

http://www.digam.net/dokument.php?ID=9247&PHPSESSID =54853573ed0494d618a5b774685e474f (=Digitales Archiv Marburg, DigAM); Siehe auch die ausgewählten Quellen im Eisbrecher, http://www.der-eisbrecher.de/cont_files/df_meissner.pdf und; http://buendische-vielfalt.de/?p=3117; http://buendische-vielfalt.de/?p=1450; http://buendische->

vielfalt.de/?p=933 rhetorisch-suggestive Meisterleistung eines Krisen-Manifestes zur angeblichen Situation der deutschen Jugend um 1900.

Formulierungen wie „Die deutsche Jugend steht an einem Wendepunkt…, träge Gewohnheiten der Alten und den Geboten einer hässlichen Konvention,… Wir wollen auch weiter getrennt marschieren, aber in dem Bewusstsein, dass uns ein Grundgefühl zusammen schließt, so dass wir Schulter an Schulter gegen die gemeinsamen Feinde kämpfen,… Möge von ihm eine neue Zeit deutschen Jugendlebens anheben“ suggerieren einen Jugendnotstaat und negieren, dass damals die Erziehung durch Eltern und Schulen in vielen Fällen besser war als die heute häufige Nicht-Erziehung und schlechte Erziehung durch viele Medien. Die damalige Erziehung war zugegeben etwas überbehütet, zu konventionell, aber zu einer allgemeinen Dramatik war kein Anlass. Diese Sorge ist eher für die Gegenwart berechtigt.

  1. Zusammen mit den früheren Aufrufen zu einem Meißnertreffen, jeweils formuliert von Knud Ahlborn, Christian Schneehagen bzw. W. Groothoff, wird die Absicht erkennbar, dass eine Minderheit von Reformern und Reformgruppen mit Hilfe von zahlenmäßig größeren Verbänden, z.B. dem Wandervogel, ihre Reformvorstellungen und Ziele in die Gesellschaft tragen wollte. Der Wandervogel war als zahlenmäßig starke Hilfstruppe geplant, die ideelle Leitung sollte aber bei den Reformern bleiben.

  1. Die Formulierung „Die“ deutsche Jugend… suggeriert, dass hier die gesamte deutsche Jugend angesprochen würde. In Wirklichkeit betraf das nur die Jugend der bürgerlichen Sozialschichten. Die bäuerliche Jugend, damals noch der weitaus größte Anteil, hatte weder Zeit noch Gelegenheit für Freiräume. Die zunehmende Arbeiterjugend hatte andere Sorgen, nämlich die finanzielle schmale Basis und überlange Arbeitszeiten, und war größtenteils in den sozialistischen Jugendorganisationen erfasst. Für obige Reformideen, für pädagogische Freiräume und auch für die notwendige Zeit dazu kam nur die bürgerliche Jugend der mittleren und höheren Sozialschichten in Frage. Diese dürften damals kaum mehr als ca. 10 % der damaligen Gesamtjugend insgesamt umfasst haben.

III. Zu den tragenden Kräften des Meißnertreffens

Das Meißnertreffen 1913 wurde primär geprägt von der DAL, der Deutschen Akademischen Freischar. Diese Bewegung war von dem zu Reformen neigenden Knud Ahlborn und seinem Freund Hans Harbeck 1907 in Göttingen gegründet worden und als eine Weiterführung der Wanderverein-Bewegung im Bund Deutscher Wanderer speziell für die Sozialschicht der Studenten.

Knut Ahlborn hatte in Hamburg 1905 als 17-Jähriger den ersten Wanderverein gegründet. Dieser Hamburger Wanderverein beschrieb sich als „Selbsterziehungsverein höherer Schüler“. Der daraus entstandene Bund Deutscher Wanderer formulierte sein Ziel so: „Vom Wanderer zum Menschen, das ist unsere Erkenntnis und unser Ziel“. Damit war seine Zielsetzung pädagogischer Art und stand in der pädagogischen Tradition, die Goethe in seinem damals viel beachteten Erziehungsroman „Wilhelm Meister“ ausgesprochen hatte, dass nämlich der Mensch nur durch Wandern und Reisen zur inneren Reife gelangen könne.

Die erste Deutsche Akademische Freischar (DAL) in Göttingen hatte bewusst statt der ursprünglich geplanten Bezeichnung „Akademischer Wanderverein“ den kämpferischeren Namen Akademische Freischar gewählt. In der Gründungsurkunde beschrieb man sich als „Kampfbund zur Reform des Deutschen Studententums“. Man verstand sich als Alternative zu den traditionellen Studentenverbindungen und war gegen das studentische Fechten und Trinken und hielt weiterhin am goethischen Ideal der Menschenbildung zum Guten und Schönen fest. 1913 formulierte die Akademischer Freischar eines ihrer Ideale so: „Alle Veranstaltungen der Freischar haben Gesundheit und Schönheit zum obersten Gesetz“. Damit war die Akademische Freischar keine studentische „Roverstufe“ für Wandervögel, sondern eine elitäre und letztlich pädagogisch orientierte Bewegung, die mit dem viel „naiveren“ Wandervogel nur das Wandern, aber nicht die Zielsetzungen gemeinsam hatte.

Es war auch nicht so, dass die älteren Wandervögel automatisch oder hauptsächlich als Studenten in die örtlichen Freischargruppen eintraten. In Heft 4 der Zeitschrift des e.V. Wandervogel… vom April 1913 gab es dazu eine kleine Diskussion in Form von 4 Lesermeinungen. 11 Eine Zuschrift empfahl den Eintritt studierender Wandervögel in die Freischar, weil die Ziele studentischer Verbindungen über die Ziele des Wandervogels hinaus gingen (z.B. Stellungnahmen zu verschiedenen Kulturfragen) und die Wandervogelziele nicht mit solchen studentischen Zielen vermengt werden dürften. Der Schreiber bedauerte gleich-zeitig, dass sich bisher so wenige studierende Wandervögel der Freischar oder vergleich-baren studentischen Korporationen angeschlossen hätten und schlug vor, offiziell für solche Übergänge nach der Schüler-Wandervogelzeit zu werben. „Ich halte es für das beste, die Wandervögel immer wieder auf die Freischar und ähnliche Verbindungen hinzuweisen. Dass sich bis jetzt so wenige angeschlossen haben, mag zum Teil daran liegen, dass diese Verbindungen noch zu neu und unbekannt sind… Dazu kommt, dass er seine Bekannten meistens im Wandervogel hat und nicht in der Freischar.“ 12

Die anderen 3 Leserzuschriften hielten durchaus studentische Wandervogelgruppen als Gruppierung für die älter gewordenen Wandervögel für sinnvoll und verwiesen auf schon bestehende akademische Wandervogelgruppen. Auch die studentische Wandervogelgruppe um Hans Breuer in Heidelberg lebte ihre Wandervogeltradition als weitgehend akademische Gruppierung, die Heidelberger Pachanthey, in Heidelberg weiter.

Knud Ahlborn war zusammen mit einigen anderen Freunden aus der Freischar der Hauptinitiator des Freideutschen Jugendtages auf dem Meißner und der so genannten Meißnerformel, wobei Ideengeber für die Formulierungen vor ihm möglich sind. Knud Ahlborn war von seiner Anlage her ein Mensch, für den Aspekte der Menschenbildung von zentraler Bedeutung waren und der in gewisser Weise lebenslänglich zu Idealisierungen, Reformen und Neugründungen neigte.

Dass sich Knud Ahlborn in Göttingen kurz vor seiner Gründung der Akademischen Freischar der dortigen Altwandervogel-Gruppe angeschlossen hatte, hat nicht die Bedeutung, dass er die Freischar als „Rovergruppe“ des Wandervogels verstand. Wie intensiv er neben seiner Freischargruppe noch Kontakt zu dieser Altwandervogel-Gruppe pflegte, kann nicht gesagt werden. Aber gerade der Altwandervogel hat damals die Teilnahme am Freideutschen Jugendtag abgelehnt. Vielleicht kannte man dort die Sympathien von Knud Ahlborn für Reformer und Reformbünde…

  1. Zum Meißnerfest und der Rolle der Wandervögel

Gegenüber Versuchen der politischen Einflussnahme und Vereinnahmung suchten die Wandervogel-Verantwortlichen meist Neutralität zu wahren. So fand der Erste Freideutsche Jugendtag auf dem Hohen Meißner im Oktober 1913, für den der Wandervogel den Boden bereitet hatte, offiziell ohne seine Beteiligung statt.13

Dass trotz der unsicheren bzw. ablehnenden Haltung der großen Wandervogelbünde doch ca. die Hälfte der Teilnehmer Wandervögel war, lag daran, dass der e.V. kurzfristig keine eigene Parallelveranstaltung wie der Altwandervogel geplant hatte. Viele Gruppen hatte längerfristig die Reise geplant und die Fahrkarten schon gekauft. Ein Teil der Teilnehmer

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Wandervogel…, Jahrgang 8, April, Heft 4, 1913, S. 119ff. ebenda, Walter Fischer, Berlin… http://de.wikipedia.org/wiki/Wandervogel aus diesem Bund wurde aber bereits auf diesem Treffen vom Charisma der MeißnerErklärung ergriffen.

Der Jungwandervogel, der sich bis zuletzt an der Einladung offiziell beteiligt hatte, äußerte sich nachträglich teilweise spöttisch-kritisch zu all den vielen Idealisten, Sektierern und Reformern. Ein Berichterstatter schrieb: Es „kamen Leute und sagten, der politische Linksliberalismus wolle die Jugend fangen; die Linksliberalen freuten sich und glaubten’s vielleicht selber, und die „Nationalen kamen“, um die Jugend zu „retten“. Und wir, die Jugend – lachten. Kümmerten uns den Teufel um Politik. Gingen mit offenen Augen und Ohren hin zum Meißner-Fest, und hätte uns einer von Politik erzählt, dann wären wir singend von dannen gezogen… Wir haben uns zwar mühsam verschiedener Apostel erwehren müssen, die uns vor ihren Wagen spannen wollten, haben aber auch Männer kennen gelernt, die die Jugend achten und ihr helfen wollen um ihrer selbst willen“14

Und der Komponist des Liedes „Wir wollen zu Land ausfahren…“, Kurt von Burkersroda, ebenfalls Jung-Wandervogel, schrieb nachhinein über das Hahnsteintreffen vorher: „Eine zeitlang ist nur Getümmel und Gesummel. Während dessen macht man Studien. Weiße und blaue Pludermützen,… ausgesprochene Zwiebacknasen, fantastisch-hagere Abstinenzlerund Rohköstlergesichter mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Mancherlei Fähnlein hängen müde hernieder, und ich höre, wie vor mir einer erklärt: Dort sitzen Volkserzieher, die massive Erscheinung da ist Popert, dahinten sitzen die Himbeersaftstudenten, und die Fahne mit dem Rad, das ist das Banner des Serakreises!

In verschiedenen Ecken feiert die Kleiderreform wilde Orgien mit Kitteln in allen Regenbogenfarben. Der E.V. läßt krampfhaft seine Storchnadel sehen, die anscheinend immer größere Formen annimmt. Und über all dem Mischmasch von Loden, Manchester, Bundtuch, Reformhemden, Umhängen und Touristenanzügen ein Meer von erwartungsvollen Augen…15

Wenn auch eine Reihe Wandervogelgruppen nachträglich positiv vom Meißnertreffen 1913 berichtete, so bestand doch ein Teil der Wandervogelteilnehmer hauptsächlich nur aus Neugierigen, Verlegenheitsbesuchern, Lauwarmen, Kritikern und zog recht unbekümmert wieder nach Hause.

„Wenig hat am Ende jene historische Tagung auf dem Hohen Meißner ergeben – nur ein Versprechen, das nie gehalten wurde, und eine Formel, die jedem etwas anderes bedeutete und die auf jeden Fall keine spezielle Jugendformel war. Für die Jungen und Mädchen im Wandervogel mag das nicht sehr von Belang gewesen sein: Lachend hatten sie auf dem Hohen Meißner zugesehen, wie Links und Rechts sich mühten, sie für ihre Zwecke zu mobilisieren“. 16

Und kaum ein Jahr später zogen die Wandervögel voll nationaler Begeisterung in den 1. Weltkrieg und in die Schlacht bei Langemarck, obwohl doch das Meißnertreffen 1913 sich gegen den damaligen Hurra-Patriotismus mit Soldatenfeiern gewandt hatte.

  1. Zur charismatischen Wirkung der so genannten Meißner Formel

14

Nach Jung-Wandervogel, Zeitschrift des Bundes für Jugendwandern „Jung-Wandervogel“, 3. Jahrg., Nov./Dez. 1913, Heft 11/12, S. 161; zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock, wobei in dieser Textzusammenstellung eine Fotokopie der betreffenden Zeitschrift-Ausgabe enthalten ist, so dass man auch direkt von dieser Fotokopie zitieren kann.

15

Ebenda, s. 161f; ebenfalls zit. nach http://buendische-vielfalt.de/?p=1545, Hansische Meißnerschnipsel – Wandervögel nah & fern, von der Hamburger Gilde Gorch Fock.

16

Siehe http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/469190 Mitreißende Schlagworte, griffige Formulierungen, eingängige Merksätze machen mehr Geschichte und haben größere Wirkungen als dicke Bücher. Das gilt seit den Anfängen der Geschichte: „Es gibt nur 1 Gott, du sollst nicht andere Götter neben mir haben; Ich weiß, dass ich nichts weiß; Hier stehe ich, ich kann nicht anders; Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen; Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit; Proletarier aller Länder, vereinigt euch; Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“… In die Reihe diese wirkungsträchtigen Formulierungen gehört auch die Meißnerformel. Sie war es, die dem Treffen von 1913 erst Bedeutung und Geschichtlichkeit verschafft hat. Ohne diese „Formel“ würde sich heute kaum noch jemand dieses Treffens erinnern. Sie füllte eine Lücke aus, die damals im soziologischen Raum offen stand.

  1. Die erste Wirkung dieser Erklärung war, dass sie sukzessive den teilnehmenden und auch nicht teilnehmenden Bünden bewusst gemacht hat, dass die damaligen Bewegungen von Adoleszenten und jungen Erwachsenen in irgend einer Form direkt oder indirekt ein Sich-Abgrenzen, ein Protest gegen die damalige Gesellschaft waren oder wurden und dass man Reformen praktizierte, auch wenn man sie bewusst nicht geplant hatte. Diese griffige Erklärung, obwohl inhaltlich ein Allgemeinplatz, der für alle protestierenden Generationen der Geschichte Gültigkeit hat, begann allmählich sogar Pfadfindergruppen in ihren Bann zu ziehen. Und dass besonders die anfangs kritischen Wandervögel das Gedenken an Formel und Treffen von 1913 am Leben erhielten, ist schon ein beachtenswerter charismatischer Erfolg, eigentlich ein kleiner Treppenwitz der Weltgeschichte.
  1. Diese Formel war nicht nur griffig, sie beinhaltete auch Zwang und verlangte unbedingte Geschlossenheit. Die Schlussworte „Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein“ bedeuten eigentlich ein suggestives Einschwören auf diese Formulierung, die die Besucher des Treffens 1913 vorher noch gar nicht gekannt hatten, wobei hinter dem Hinweis auf „innere Freiheit“ auch Ziele von Bünden stehen konnten, die nicht jeder damals und heute akzeptieren möchte.

Man muss sich diesen Vorgang einmal genau vor Augen halten. Da fühlten sich einige Freischärler unter Führung von Knud Ahlborn als Sprachrohr aller Teilnehmer dieses Treffens und fordern entschiedenes Eintreten aller für dasjenige, was sie während einer Wanderung ausformulieret hatten. Das war im Grunde ein gewisser Fraktionszwang, eine Bevormundung.

Wäre diese Meißner-Erklärung in einem demokratischen Formulierungsprozess entstanden, wäre sie real eine Erklärung der damals Versammelten gewesen. So war sie eine Forderung weniger, die aber durch das Charisma ihrer Worte nachträglich immer mehr Bünde hinter sich versammelte.

  1. Diese Formel hat die Wandervögel im Zuge des Wandels des soziologischen Begriffes Jugend erst zu einer Jugendbewegung im Sinne von Nichterwachsenen gemacht. Denn das Wort und der Begriff „Jugend“ sind in der Formel geblieben, der Sinn von Jugend hat sich aber geändert. Das hat längere Zeit die Rolle von Älteren in den bündischen Gruppierungen verunsichert. Erst in der Gegenwart beginnt sich, auch durch den demografischen Wandel, das Selbstverständnis einer großen bündischen Familie über alle Altersstufen hinweg durchzusetzen.

Dass sich diese Erklärung auf Wandervögel und Pfadfinder ausweitete, hängt auch damit zusammen, dass die Leitideen von diesen Bünden nicht soziologisch kritisch und reichhaltig genug sind, um auch für darüber hinaus Interessierte einen Heimatraum zu bieten. Die Wandervogelromantik erschöpft sich irgendwann einmal und die Pfadfindertechniken hat man irgendwann einmal gelernt…

In dieser Formel fand man einen gedanklichen Anstoß für übergeordnete Ideen. Welche vielfältigen Assoziationen eröffnen sich bei den Worten „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung“… Sie motivieren dazu, unbeirrt dem zu folgen, selbstüberzeugt das umzusetzen, was man für richtig hält. Es ist im Grunde ein Freibrief für alternative Ziele und Lebensformen jeglicher Art schon in jungen Jahren.

  1. Vorschlag für einen zurückhaltenderen Umgang mit der Meißnertradition und der Meißnerformel
  1. Charismatische Sätze, Erklärungen, Aussagen, Formeln können initiieren, sammeln und stärken, sie können aber auch negative Wirkungen entfalten, indem sie z.B. historische Zusammenhänge vereinfachen und Pluralismus gefährden.

Zugegeben: Für Bündische, die von der Meißnererklärung 1913 begeistert waren und die teilweise verzückt auf diese Formel starrten, ist es unerheblich, ob ihre Gruppierungen diese Erklärung inhaltlich von Anfang an unterstützten oder erst allmählich in ihren Sog gerieten.

Aber die Sorge vor einer Beeinträchtigung von Pluralismus sollte man etwas ernster nehmen. Die Wandervogelbewegung entwickelte sich bereits kurz nach ihrer Gründung pluralistisch. Pluralismus kann eine Bereicherung sein. Die charismatische Formulierung dieser Meißner-Erklärung und besonders ihre Forderung nach Geschlossenheit hinter ihrer Aussage kann aber Pluralismus beeinträchtigt, indem einmal Bünde, die nicht allen Zielen anderer Bünde zustimmen, in ihrem individuellen Selbstverständnis verunsichert werden und zum anderen, indem Bestrebungen entstehen, unliebsame und nichtkonforme Bünde von dieser beschworenen gemeinsamen Plattform auszuschließen. Deswegen sollte man den Einfluss dieser Erklärung etwas zurück fahren.

Für das 100jährige Gedächtnistreffen im Herbst 2013 könnte das konkret bedeute:

– Dass man auf die Suche nach einer ähnlich charismatischen Erklärung verzichtet und sich höchstens auf eine einfache Aussage beschränkt oder noch besser jedem teilnehmenden Bund eine eigene Erklärung zubilligt.

– Dass man kein gemeinsames Meißnerlager 2013 anstrebt, sondern jedem beteiligten Bund ein eigenes Lager am Meißner zuspricht und nur zu zentralen Veranstaltungen an einem Ort zusammen kommt. Vielleicht kann man sich auch in dieser Form gegenseitig besser ertragen, wenn man nicht für die Freiheit der Ziele der anderen Gruppen eintreten muss.

– Dass man aufgibt, die Welt irgendwie entscheidend zu reformieren und verbessern zu wollen, denn das ist nach allen Erfahrzungen der Geschichte leider nicht möglich. Es ist nur sinnvoll, dass jeder Bund versucht, um sich kleine Inseln des Vernünftigen und Guten zu schaffen, so wie Alexej Stachowitsch das fordert.

Denn das Meißnertreffen von 1913 hat keinen Kult-Charakter für die Wandervogelbewegung gehabt und die Meißnerformel von 1913 war keine Kult-Formel und kein KultAusdruck für die Wandervogelbewegung und ist sie bis heute nicht. Es gibt nur nach dem 2. Weltkrieg zunehmende Strömungen, sie dazu zu machen.

VII. Einige Literaturhinweise

http://buendische-vielfalt.de, z.B. zwölfdreizehnschnipseleien januar 13 und märz 13, hansische Meißnerschnipsel usw. Auf dieser Webseite sind in den letzten Monaten interessante Quellen zum Meißnertreffen 1913 zusammen getragen worden. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.

– Wandervogel, Monatsschrift für deutsches Jugendwandern, verschiedene Hefte des Jahrgangs 1913 – Helwig, Werner, Die blaue Blume des Wandervogels, Deutscher Spurbuchverlag, überarbeitete Neuausgabe, hrsg. Von Walter Sauer, 1998.

– Speiser, Heinz, 1977: Hans Breuer – Wirken und Wirkungen, eine Monografie, Burg Ludwigstein.

– Wurm, Helmut 1990: Vorarbeiten zu einer interdisziplinären Untersuchung über die Körperhöhenverhältnisse der Deutschen im 19. Jahrhundert und der sie beeinflussenden Lebensverhältnisse, 2 Teile. Teil 1: Einleitende Begründung, quellenkundliche Probleme, quellenkundliche Vorarbeiten für die politischen Einzelräume von Norddeutschland bis Württemberg. Teil II: Quellenkundliche Vorarbeiten für Baden, Elsaß-Lothringen, Bayern, das gesamte Deutsche Reich, zusammenfassende Auswertung, ernährungshistorische Hinweise, Schrifttum. in: Gegenbaurs morphologisches Jahrbuch, Bd. 136, S. 405-429 und S. 503-524.

(In dieser Untersuchung waren nur die Wachstumsverhältnisse ab 18 Jahren betrachtet worden. Es wurden die damaligen Messungen an Turnern, Soldaten, Studenten usw. ausgewertet, wobei immer wieder die Klassifikation Turnerjugend, soldatische Jugend, studentische Jugend usw. auffiel)

– Eine Internet-Suche (z. B. in http://de.academic.ru; wikipedia; scout-o-wiki, buendische-vielfalt) zu den Schlagworten „Jugendbewegung, Altwandervogel, Wandervogel e.V., Meißner 1913, Freideutscher Jugendtag, Meißnererklärung 1913, Knud Ahlborn, Gustav Wyneken, akademische Freischar, Bund deutscher Wanderer“ usw. Die konkret benutzten Stellen sind als Fußnoten angegeben.

– Siehe auch: Hoher Meissner 1913. Der Erste Freideutsche Jugendtag in Dokumenten, Deutungen und Bildern, hrsg. von Winfried Mogge und Jürgen Reulecke, WochenschauVerlag, 1988, 422. Seiten.

(Verfasst von Helmut Wurm, März 2013. Der Hinweis und der Terminus, dass die so viel zitierte Meissnerformel „keinen Kult-Charakter“… für die Wandervogelbewegung habe, stammt von Alexej Stachowitsch, Axi, der das in einem telefonischen Gespräch mit dem Verfasser über diesen Beitrag ergänzend knapp 1 Woche vor seinem Tod so

BÜNDE HEUTE und früher – Bund – Wandervogelbünde ab 1945 – dj 1.11

BÜNDE HEUTE und früher


WANDERVOGELBÜNDE + WIR (wandervogel e.v.)

Seit je schwirren viele Wandervögel allein herum, weil sie ihrem Bund entwachsen sind oder ihre Gruppe sich aufgelöst hat. Noch mehr andere Bündische gibt es, die aus engen Gruppen einen Wandervogelbund suchen. Eine Reihe davon hat zu unserem Bund gefunden.

Bünde mit Wandervogeltraditionen wie Freischar, Zugvogel, Artaban, Fahrende Gesellen, Blaue Blume, Mädchenwandervogel, Mädchenwanderbund, reformjugend und Nerother halten sich und wehren sich gegen die Zeitströme, halten sich aber weitgehend von der Öffentlichkeit und ihrer Kritik aus vielen Gründen fern.

Noch kleinere Bünde, die oft nur aus 20, 30 Mitgliedern bestehen, leben ihr Wandervogelsein als Genuss und fast alle ihrer Mitglieder haben es aufgegeben, groß wachsen zu wollen und weitere, neue Gruppen zu gründen. Sie meiden die die Öffentlichkeit fast ganz und geben sogar ihre Termine meist nur unter sich bekannt.

Wir im WV haben mit einigen älteren Bündischen versucht, mit einer Wiedergründung des Wandervogel e.V. nach seinem Verbot den Wandervogelgedanken wieder mit neuem Ansatz zu verbreiten. Wir haben bis heute den Wunsch, Menschen in unsere Gruppen aufzunehmen und sie zu Wandervögeln zu machen. Wir gehen von der These aus, dass viele als Wandervögel geboren werden, und die Wandervogelgedanken nicht kennen und nie einem Wandervogelbund begegnet sind. Sie müssten leicht echte Wandervogel werden.

Beide Gedanken ließen sich nur begrenzt verwirklichen. Es sind wirklich einige, die echte Wandervögel wurde, obwohl sie nicht von jung auf an Wandervögel sein konnte. Aber die meisten von uns sind nur Wandervogel geworden, um an unseren Gruppen teilnehmen zu können.

Deshalb haben andere Wandervögel und Bündische uns kritisiert, als nicht echte Wandervögel, als Bund, der den Wandervogelnamen. der mit guten Vorsätzen den Namen Wandervogel missbraucht. indem sich Menschen Wandervogel nennen, die keine Wandervögel sind mit Sätzen: Guter Wille, aber nix geworden / Wandervogelschwindel / Heiße Luft ohne was. Für Wandervogelpuristen mag das stimmen. Für diejenigen aber, die im Jugendarter nicht die Chance hatten Wandervogel zu werden, und die richtige Wandervögel wurden, stimmt das nicht.

Wir sagen für uns realistisch: Unseren Bund gibt es seit 1998 wieder. Das sind 26 Jahre. Mehrere konnten durch uns überzeugte Wandervögel werden und sind dafür dankbar. Unser Bund bringt vielen Freude. Zwar hat der größer angelegte Versuch nicht geklappt, und nur einige von uns leben den Bund.

Wir wollen unseren Wandervogelbund nicht missen und bieten weiterhin Menschen an, bei uns dazu zu gehören und Wandervogel zu werden, wenn sie zuerst zumindest sich gern einbringen und Mitmenschlichkeit respektieren. Die tieferen Regeln und Gedanken des Wandervogel zu leben, überlassen wir jedem einzelnen Neuen. Und das ab und zu mit Erfolg und zum Glück für die, die sonst keine Chance hätten, Wandervogel zu werden.

Da tun wir etwas, was andere nicht tun, ausschließen, verachten. Und lassen Menschen allein, die gern dazu gehören würden.

Einige Bündische sehen die Chance unseres Ansatzes wie wir, stoßen bei uns dazu und unterstützen unseren Ansatz. Und so sind wir ein kleiner, optimistischer  Wandervogelbund mit Wachstum, von Spießern gering geschätzt, von vielen Bündischen verachtet, stolz und mit einer  Geschichte, mit Berichten, Gedichten, Liedern, Fahrten, Festen, Erlebnissen, die zum Mitmachen einladen, sich singen, hören, lesen und mitmachen lassen.   hedo

Mach‘ doch unsere Jurtennächte, unsere Teestubengespräche, unsere Festtafel, unsere Festabende mit. Dann spürst Du Wandervogel, vielleicht mehr als bei anderen Bünden, besonders die Jurtennacht am Freitag Abend.


BÜNDE HEUTE UND FRÜHER  4.4.22

Mehrere Bünde halten seit fast 100 Jahren an der alten Regel fest: „Jugend führt Jugend“. Stimmt das noch richtig? Oder sitmmte das nie?

Bei den Bünden, die durch Zuschüsse staatsabhängig sind, sind es meist angestellte Erwachsene, die durch Zuschüsse bezahlt werden. Oft haben diese Bünde ein System, dass diese Verwaltung hinten an stellt und durch Wahlen Ältere, also auch Erwachsene einer Bundesführerschaft, wählt. Bei den kleinen unabhängigeren Bünden sind es oft menschen die mit Erbe, Rente, Krankheitsgeld und ähnlichem abgesichert üb er viele Jahre die organisation leiten und die Hautentscheidungen fällen oder so beeinflussen, dass sie meist durchgesetzt werden. In wenigen fällen werden junge Erwachsene gewählt. Gibt es noch einen Bund, der seit Jahren von Jugendlichen geführt wird?

Vielleicht wird durch Wiedergründungen und besondere Umstände mal ein Jugendlicher gewählt. Vielleicht ist es die reformjugend in Deutschland, die Studenten wählt und dsshalb zur Zeit seit jahren am jugendbewegtesten ist.

Allgemein gesehen ist aber der alte Wunsch der Jugendlichen durch Jugendliche geführt zu werden nicht mehr in. Er ist kaum noch realisierbar. Die kompliziertere Gesellschaft braucht mehr als 1 Jahr, das junge Menschen in ihrer Ausbildungszeit dem Bund zur Verfügung stellen. Team, Teamrekrutierung und Einarbeitung brauchen längere Zeit. Opfer sind auch nicht günstigste Voraussetzung für Bundesausbau. Diese Zuschuss- und Strukturabhängigkeiten behindern viele Bünde sich kontinuierlich auszubauen. Massenmedien sehen es nicht als ihre Aufgabe, sich kontinuierlich für Jugendbünde einzusetzen.

In ihrem Vorwärtsdenken sind mehrere Bünde in Deutschland viel besser, als ihre Größe und Wirksamkeit. Struktur- und Zielschwächen behindern sie jedoch. Politik kann nicht offen diskutiert werden – sonst fallen die Zuschüsse weg, die fast überall nur partiell und nicht institutionell sind. Fast überall können sich dynamische Führungspersönlichkeiten nicht durchsetzen, sondern werden durch die Bundeskonstruktion, durch Finanzen und durch Anpassungsregeln ausgebremst.  Einige Bünde versuchen hier ausballancierte Kompromisse zu finden, die ausbremsen, aber einen gewissen oft politikverweigernden Freiheitsgrad  halten.

Wenn ein Bund an gewissen Zuschuss im Jahr erst einmal eingeplant ist, kann darauf nicht verzichten. Er kann auch schwerer wachsen, da es dafür keine echten Zuschüsse gibt.

Lebensbünde und thematische Organisationen haben es etwas leichter. Lebensbünde haben meist Ältere, die sponsern können. Thematische Organisationen haben evtl. Spender.

Zusammengefasst kann gesagt werden, Bünde haben aus genannten Gründen kaum eine Chance, in Deutschland langsam oder schnell an Bedeutung zu gewinnen, wenn wir nicht Bewegungen wie „Friday for future“ oder ähnliche Spontanbewegungen in unsere Betrachtung einbeziehen.  mike


Wandervogelbünde ab 1945

Ab 1945 konstituierten sich die Wandervogelbünde neu, teils in früherer, traditioneller Form teils erneuert mit freiheitlichen, weltweiten Gedanken. 

Einerseits am Rhein und im Bergischen die vitalen, lauten Männerbünde um die Oelbermanns mit den Nerothern und ihren Abspaltungen, der Zugvogel um Gero, der Wandervogel Bund für Jugendfahrten um Hannes, der Weinbacher Wandervogel um Fabian und der autonome wandervogel mit wirkungsvollem, selbstgeschaffenem Liedgut, oft kunstvoll vorgetragen und später auch unser Bund Wandervogel e.V.

Im Norden, Süden und in der Mitte Deutschlands entstanden die gemischten, koedukativen Wandervogelbünde nach 1945 neu, besonders der Wandervogel DB, der durch Drogenverweigerung, besondere Schriften, Tanzen und große Singeleistungen starke Wirkungskraft entfaltete, besonders gestärkt durch Kraft und Fleiß von Gerhard Neudorf.

Außerdem gab es viele kleine Wandervogelgruppen und neue Bünde. Die deutsche reformjugend, die Fahrenden Gesellen mit dem Mädelwanderbund, die Gefährtenschaft und der wandervogel e.v. sind in diesem Zusammenhang zu nennen.  Großartige Singeleistungen gab es auch hier. Jüngster Spross der Wandervogelbünde ist der von Gerhard initiierte Wandervogelverbund. 

Diese zwei Hauptrichtungen bestimmen bis heute die Wandervogelszene in Deutschland, die Männerbünde, die Gemischtennd auch zwei Frauenbünde. Die Richtungen hatten untereinander wenig Kontakt. Die Männerbünde im Westen grenzten sich von den anderen Wandervogelbünden stark ab.

Manchmal wirken sie teils zusammen. Kontakte zu den Wandervogelbünden in Österreich und Japan bestande sporadisch oder nicht. 

Verbunden sind die Bünde durch das gemeinsame Bekenntnis zur Meißnerformel in abgeschwächter Form: Alkohol und Nikotin werden teils nicht abgelehnt, der Begriff „freideutsche Jugend“ wird nicht mehr verwendet, das geschlossene Eintreten für die Meißnerformel wird unterschiedlich bekundet. 

Gemeinsam bleibt der freiheitliche Rumpfsatz: „Wir wollen das Leben in eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit, vor eigenem Gewissen selbst gestalten.“ „Und in Gemeinschaft“ fügen wir hinzu.

Erwachsene spielen heute in fast allen Bünden eine große, oft tragende Bedeutung. Disten Wandervogelbünde haben heute nicht Jugendliche, sondern sind  „Lebensbund“.

Nach 1945 bildete sich der Ring junger Bünde, in dem sich die meisten der Wandervogelbünde zusammen schlossen.  Den Ring bündischer Jugend gibt es bis heute. Dabei sind auch einige Pfadfinderbünde, die stark vom Wandervogel geprägt wurden. Auch jungenschaften gehörten dazu. Die graue jungenschaft mit dem ehemaligen Schiff „Falado“ ist eine jungenschaft, die es noch gibt. 

Der Ring junger Bünde sorgte für Zuschüsse, verlor mit den Jahren an Bedeutung und ließ die Kluft zu den Pfadfinderbünden größer werden, die allgemein vom Staat Zuschüsse annehmen, sich voll an die Gesellschaft anpassen und eigene Pfadfinderverbände haben. 

Die Situation führte beim Meißnerlager 1988 dazu, dass Gerhard Neudorf, lampi und Freunde die bündische Kulturinitiative bildeten mit der Zeitschrift „Idee und Bewegung“, die zum einem Bindeglied vieler Bünde wurde, und die nun auf Gut Steimke, kurz vor Gerhard Tods, Heimat und Zentrum fand. 

Ein Zentrum, aus dem sich noch mehr entwickeln kann, vielleicht eine Fortführung der „Pädagogischen Kolloquien“ von Gerhard.

Gerhards Traum war, aus der Kulturinitiative eine eine „Wandervogelakademie“ für Pädagogik, Kultur und Natur zu gründen. Ein Gedanke, die bündischen Wissenschaftler zu vereinen und den Wunsch zusammen zu fassen, der fast alle Wandervögel eint: Endlich in Deutschland für die Menschen ein Zentrum zu schaffen, in dem die besten und bewährtesten Erkenntnisse für Mensch, Natur und Kultur zusammengefasst und gelehrt werden. Auch Nutzung von Impulsen und Ansätzen aus den USA, aus Japan, Finnland, Schweden, Dänemark ist denkbar. Der Wandervogelgedanke ist für die Zukunft brisant und vorwärtsweisend und findet immer wieder neue kreative Formen.h


Gerhard Neudorf – G e r h a r d N e u d o r f  zum Gedenken  

Gerhard Neudorf ist gestorben. Ihm zum Gedenken bringen wir die folgenden Gedanken.

Gerhard war ein Mensch, der lebenslang der für den Wandervogel brannte, und der für den daraus resultierenden Fortschritt in Gemeinschaft hart gearbeitet und gestritten hat.

Nicht jeder konnte seine kategorischen Strenge ertragen. Aber geachtet und anerkannt haben ihn viele.

Mit all seiner Strahlkraft und Bedingungslosigkeit war er ein großartiger Mensch. Er war Vordenker und Bindeglied, Impulsgeber und der Eckhart des Wandervogels.

Gerhard, auf Griechenlandfahrt, im Initiativkreis der Kulturinitiative und im Wandervogel-Älterenbund haben wir manches gemeinsam erdacht. Du nanntest mich öfter den Goldmund und Dich den Narziss. Wir rasselten auch aneinander.
Meist glätteten wir die Wogen bald, da wir einander schätzten. Öfter nutztest Du meine meine Stärke, Impulse geben zu können.

Als ich mich aus der KULTURINITIATIVE zurückzog, um den Rabenhof in Lüttenmark zu renovieren und auch mit durch Dich inspiriert, den freiheitlichen wandervogel e. v. wieder aufzubauen, besuchtest Du mich mit Horand, Deinem Sohn.

Gerhard, ich denke oft an Dich. Du hast mir viel gegeben. Du warst eine der großen Wandervogelpersönlichkeiten nicht nur nach 1945.
In vielem, was es heute an bündischer Entwicklung gibt, ist Dein Wirken zu spüren.

Dafür danke ich Dir. Dein hedo

Ich sandte zur Gedächtnisfeier und zur Beerdigung Gerhards meinen Liedtext „Im Fiedelers Grün“, der dort von Iris Mannke vorgetragen wurde. 

 

FAHRENDE GESELLEN

Bund für deutsches Leben und Wandern = Das war Verinnerlichung und Großdeutsch

Die meisten alten Fahrenden Gesellen hatten zu meiner Jugendzeit eine Art von großdeutschem Denken von Volk und Familie, das nicht recht in die aufstrebende, sich schnell entwickelnde BRD passte. Eben Bund für deutsches Leben und Wandern.

Dadurch waren wir Jugendlichen so eine Art Ritter auf verlorenem Post, lauter kleine Don Quichotes, die sich als verlorener Haufen betrachten, als Kämpfer gegen alles Spießertum, alle Unmenschlichkeit, alles Abzocken, alle Arroganz, alles Imponiergehabe.

Politiker, Industrie, Presse, waren Verräter, Krauter, Volkszerstörer. Landsknechte, Seeräuber, Ordensritter waren für uns die Kämpfer für Freiheit, Heimat, Vaterland. Und wir empfanden uns als kleine, aufmüpfige  Helden.

Das änderte sich mit den Jahren, als wir erwachsen wurden.  Zuerst erlebten wir auf Fahrten die Realität in Deutschland und anderen Ländern. Im Ausland begriffen wir uns als Deutsche neu. Was ist deutsches Leben? Deutsches Wandern? Komisch. Wir sind nicht besser, als die freundlichen Menschen im Ausland, nicht besser, als Freunde, die nicht im Bund sind.

Wir sind nicht besser, als die anderen. Es sei denn, wir haben eine gute Gruppe, mit der wir ins Ausland fahren können, wir wandern, wir singen, wir schätzen überlieferte Lieder, Tänze. Und vor allem lieben wir die Natur und wollen anderen helfen, auch so schönes erleben zu dürfen.

Da waren wir bei tusk.

 

Tusk aber war in den zwanziger Jahren. Vieles hatte sich geändert. Deutsch war nicht mehr das Ideal. Die meisten von uns lebten in Familien im Wirtschaftswunder. Nur dass viele Väter durch den Kriegstod fehlten.

Als wir älter wurden, strebten wir dazu, zusätzlich zu unseren Fahrten, Stadtteile wohnlicher zu machen gegen Massensiedlungen und Hochhäuser und Isolation auch Erwachsenen Heimat zu geben. Politiker die Kinder und Jugendliche weiter förderten und Städte wohnlicher machen wollten, für Natur und Leben eintraten, wurden von uns nicht mehr abgelehnt.

Wir lasen gemeinsam Arno Placks „Die Gesellschaft und das Böse“,  lernten weiter auf Abendschulen, sahen Weiterbildung als gute Wirkung, nicht schlechte Chefs ertragen zu müssen und mit unserem Beruf, mit besserem Verdienst weiter zu kommen.

Für viele ging das damals nicht bei den Fahrenden Gesellen, die sich als Bund nur langsam weiterentwickelten. „Bund für deutsches Leben und Wandern“ ist ein Satz, der in sich selbst unstimmig für uns war. Was ist „deutsches Leben“? Was ist „deutsches Wandern“? Das wurde vorausgesetzt. Und es wurde nie definiert. Frieden, Mitmenschlichkeit, Weltweitheit und Deutschland in Beziehung zu anderen Ländern und Völkern waren uns wichtiger, als seltsam verklausuliertes nationales Deutschseins über allem, auch, wenn der Bund viel Gutes gegeben hatte. Die Antworten für die Zukunft fehlten Älterwerdenen. Für viele ging das nicht bei den Fahrenden Gesellen.

Viele gingen und wandten dem Bund, dem Bündischen den Rücken zu. Einige gingen zur Deutschen Freischar, zum Wandervogel oder in Organisationen wie Nabu, Bund, Grüne, Heimatvereine oder andere, auch in Kirchengruppen.


dj 1.11

2024: Nun 95 Jahre her, dass tusk am 1. 11. 1929 die dj 1. 11 ausgerufen hat.

Habt Du das gefeiert? Hast Du dran gedacht? Hast Du überlegt, was Dir, was uns das heute bringen könnte? Mich wundert, dass ich nirgends davon bisher gehört oder gelesen habe. Anscheinend gab es nirgendwo ein Fest, eine Besinnung, die bedenkenswertes hervorgebracht hat?

Ich kann mir vorstellen, dass aus dem den Meissnererlebnissen und -Erfahrungen ein neuer Aufbruch passieren könnte. Vielleicht würde der Aufbruch eher von Pfadfindern als von Wandervögeln und Jungenschaftlern gemeinsam inszeniert werden. Dass der Ludwigstein nun verleumderisch angegriffen wurde, ist hoffentlich bewältigt. Immerhin melden sich da nun viele, um die Böswilligkeiten und Unterstellungen abzuwehren. Erstmals wird nun hoffentlich so ein Angriff machhaltig abgewehrt.

Konzepte und Einigungen, ein Aufbruch von Bünden für die Zukunft ist jedoch noch kaum in Sicht. vielleicht ein heller Streif am Horizont. Bei den Meissnertagen habe ich in vielen Gesprächen kaum etwas davon gehört. Deshalb habe ich den Wandervogel – Aufruf mit den 10 Fragen an die Welt ins Netz gestellt.

Die Fragen sind Fragen der Zukunft, des Überlebens, für die Völker und die jungen Menschen, Fragen für morgen.  Ich weiss, dass unsere Bünde damit Schwierigkeiten haben, dass sie Überlebensfragen als Politik, als Parteipolitik, begreifen, anstatt sie einfach menschlich zu sehen.

Wenn wir in andere Länder fahrten wollen, wenn wir fremde und unsere Kulturen, Lieder, Musiken, Sprachen lieben, dann kann uns das Leben der anderen Menschen in anderen Völkern nicht gleichgültig sein. Dann müssen wir uns auch dafür solidarisieren, auch wenn der Weg zu so einer Solidarität weit ist, wo wir noch nicht einmal Freundschaft und kontinuierliche Zusammenarbeit unter den Bünden gut schaffen.

Abe immerhin: Das Meissnertreffen war ein guter Anfang. Vielleicht schaffen wir ja doch mehr Einigkeit untereinander, vielleicht auch aus Existenznot unter den Bünden.

Die Europapolitiker finden nicht den Weg zu einem einigen Vielvölkereuropa. Mit mehreren Zungen sprechen, aber vereint handeln. Wenn die Bünde weiterhin eine Existenzberechtigung haben sollen, müssten sie enger zusammenrücken, um handlungsfähiger zu werden.

Aus dem Verein fürs Meissnerlager habe ich solche Anzeichen noch nicht gehört. Ist da zu hoffen? Unser Bund ist für die Zukunft offen und bereit.

hedo

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