Alfs Lieder haben mich beeindruckt. Oft wurde von ihm gesprochen, selbst in Hamburg. Liedermacher von Liedern, die mir Herzenslieder wurden, haben mich beeindruckt.
Aus einem Nachlaßbrief von Alf Zschiesche
an den Wiesbadener Altnerother Kurt Heerklotz:
Das Lied “Wenn die bunten Fahnen wehen” entstand, als ich 24 Jahre alt und Examenskandidat der Naturwissenschaften war, an einem Sonntagnachmittag im Dezember 1932. Ich zog mich gern, während meine Eltern ihren Mittagsschlaf hielten, mit meiner Gitarre in die Küche zurück, wo ich niemanden störte und von niemand gestört wurde, wenn ich Lust zum Klimpern hatte. So auch an jenem Sonntagnachmittag.
Als ich damals meine Akkorde und Melodieimprovisationen ausprobierte, stand ich noch ganz im Bann einer Film- und Liederveranstaltung des Nerother Wandervogels, die ich am Abend zuvor im Wiesbadener Paulinenschlösschen erlebt hatte. Es handelte sich um den Film “Iguassu, das große Wasser” von der Weltfahrt einer Nerother Gruppe nach Südamerika. Nun ereignete sich das für mich höchst Erstaunlichste, dass sich die Eindrücke des großartigen Films und meine eigenen viel bescheideneren bisherigen Fahrtenerlebnisse auf einmal in Worten und Tönen verdichteten, die mit unerhörter Geschwindigkeit in meinem Bewusstsein auftauchten. Es war fast, als ob mir eine Stimme die Melodie mitsamt den vier Textstrophen diktiere.
Ich hatte Notenpapier zur Hand und schrieb in größter Eile mit einer Art improvisierter Kurzschrift das Vernommene auf. Als ich mir dann das soeben entstandene und mit Mühe erhaschte Geistesprodukt genauer ansah und die Weise nochmals mit halber Stimme vor mich hinsummte, fand ich es als Ganzes und in allen seinen Teilen wohl gelungen und hätte keinen Deut mehr daran ändern mögen. “So und nicht anders”, sagte ich im Selbstgespräch, “so soll es bleiben.”
Mein neues Lied aber verbarg ich zunächst schamhaft in meiner geheimsten Schublade und verriet keinem Menschen etwas davon. Erst nach zirka drei Wochen entschloss ich mich dann, es mit einer Widmung für den Nerother Wandervogelbund an Karl Oelbermann, den Bruder des Bundesführers, auf die Burg Waldeck im Hunsrück zu schicken.
Weitere drei Wochen mochten verflossen sein, als ich eines Abends vom Balkon der elterlichen Wohnung einen vorübergehenden Jungen auf der Straße mein Fahrtenlied pfeifen hörte: “Wenn die bunten Fahnen wehen…”
Wiesbaden, April 1978